Gehört dem stets in Echtzeit digitalen Abbild aller Packstücke und Prozesse im Lager die Zukunft? Den Deutschen Logistikpreis hat Dachser mit dem gemeinsam mit dem Fraunhofer IML entwickelten Projekt «@ILO» anlässlich des BVL-Kongresses in Berlin bereits erhalten. Jetzt folgte ein «Schulterblick» vor Ort. 

Die gemeinsam mit dem IML im Enterprise Lab entwickelte und bislang in zwei Pilotniederlassungen implementierte «Advanced Indoor Localization and Operation» ist rein technisch betrachtet kein Hexenwerk, erklärt Dachser-Entwicklungs-Chef Andre Kranke. Aber in dem in Öhringen mit über 600 installierten Deckenkameras und optischen Scaneinheiten installierten Umfang, erklärt Dachsers Digitalchef Stefan Hohm, durchaus eine Herausforderung für die Bildverarbeitenden Systeme, mit der Datenflut konfrontierte Arbeitsspeicher und alle auf der realen physischen Ebene an dem Projekt Beteiligten.

Erleichtert wurde die Implementierung dadurch, sagt Niederlassungsleiter Marc Oliver Bohlender, dass inzwischen über 75 Prozent der in ansehnlichem Ausmass mit IT konfrontierten Mitarbeitenden im Lager der Generation der «Digital Natives» angehören. Die haben kein Problem mehr damit, das Umfeld mit ergänzenden, per Monitor bereitsgestellten Informationen zu kombinieren und sinnvoll zu handhaben.

Packstücke am Wareneingang manuell zu scannen wird durch die Totalabdeckung der Erfassungs-Systeme (Lange: «Relativ einfache optische Systeme») überflüssig, der Weg der Ware bis hin zur gewünschten Lagerposition auf Monitore projiziert, komplett nach- und rückverfolgbar. Wichtig auch immer wieder die Versicherung, dass – obwohl es rein technisch kein Problem wäre - hier keine Gesichtserkennung der Mitarbeitenden erfolgt, wie sie unter anderem mithilfe deutscher Kameras an jeder grösseren Strassenkreuzung in China praktiziert wird.

M.O. Bohlender. Foto: klk.

Der Entwicklungaufwand, bereits 2019 mit hohem Personalaufwand in die Wege geleitet, ist auch für ein 8,1 Mrd.-Unternehmen mit 32.849 Mitarbeitenden beträchtlich und allein mit der Hoffnung auf Rendite nicht zu begründen, meint Hohm. Der Transport-Dienstleister wurde dadurch belohnt, dass die Zusammenarbeit zwischen IML und Dachser im Enterprise Lab elf gemischte Teams regelrecht zusammengeschweisst habe. Inzwischen kamen zahlreiche KI-Applikationen hinzu, mit deren Hilfe Daten auf ihre Logik und Zusammenhang geprüft, nötigenfalls auch rechtzeitig korrigiert werden können. Funknetze wie «Low Power»-WLAN, 5G und LTE-M wurden im praktischen Einsatz ausprobiert – und schliesslich das Letztere als am Besten geeignet für den Datenaustausch erkannt.

Foto: Dachser

Vor Ort demonstrieren IML- und Dachser-Mitarbeitende am Stapler das Eintreffen der Daten aus der @ILO-Cloud am Handmonitor und den IT-gesteuerten Lotsendienst, der den Fahrer zur gewünschten Lagerposition leitet. Damit die Deckenkameras den Data-Matrix-Code auf der beladenen Palette von oben, aus acht bis neuen Metern Höhe besser erkennen, wurde die Matrix, die ab der Einfahrt ins Lagerhaus zur Verfügung steht, auf 9,5 cm vergrössert. Gleichzeitig werden die Masse des betreffenden Packstücks erfasst. Hohm: «Wenn ich diese Angaben zur Hand habe, kann ich am Bildschirm Tetris spielen».

Und natürlich liegt auf der Hand, dass bei so zielgerichteter Automatisierung auch das vollständig ferngesteuerte Flurförderzeug in Reichweite liegt. Die Forschenden arbeiten daran, unter anderem mit Hololens-Brillen, wie sie Microsoft und andere Unternehmen schon seit Längerem mit Bildeinblendungen und möglichst ohne gravierende Einschränkung des jeweiligen Gesichtsfeldes anbieten.

Statt Brillen wurden auch schon – etwas einfacher - Pfeil-Projektionen als Wegweiser auf dem Boden vor den Mitarbeitenden ausprobiert. Andere halten sogar eher erschreckend wirkende, mit Elektroden auf der Kopfhaut gespickte Gerätschaft in Art einer Gedanken lesenden «Trockenhaube» parat.

 

Durch simple Kopfbewegung oder «Augenrollen» könnten dann Transportvorgänge in Bewegung gesetzt werden – was Chefs zu früheren Zeit aber auch schon mal durch drohendes Anstarren der jeweils gemeinten Mitarbeitenden in Gang zu setzen imstande gewesen sein sollen.

Stets von Neuem verblüffend die räumlich futuristisch wirkende Darstellung an einem Demonstrations-Hologramm im für Präsentationen genutzten Schaukasten, wo sich der digitale Zwilling sozusagen «zum Greifen nahe durch Raum und Zeit» und wechselnde Perspektiven bewegt.

Warum dann nicht gleich alles robotisieren? Der Kostenfaktor spielt hier immer noch eine Rolle: Nicht alle Tätigkeiten müssen mit bislang noch sehr kostspieligem Instrumentarium hochgerüstet werden. Obwohl auch immer wieder der Fachkräftemangel in die Diskussion einfliesst, und im weiteren Fortgang der Entwicklungen noch viele Optionen möglich sein werden. Volker Lange: «Mit @ILO wird die Logistik 4.0 Realität».

Klaus Koch

www.dachser.com

www.iml.fraunhofer.de