DHL-Finanzchefin M.Kreis

Auch die Deutsche Post (DHL) rechnet weiterhin damit, Schwankungen und Störungen im internationalen Frachtverkehr durch ein geschickt aufgestelltes Portfolio ausbalancieren zu können. Finanzvorstand Melanie Kreis über den steigenden Stellenwert von Logistik-Dienstleistungen in Zeiten zunehmender Unsicherheiten.

Frau Kreis, die Deutsche Post hat auch im zweiten Quartal ein starkes Ergebnis erzielt. Was waren die Erfolgsfaktoren im derzeit volatilen Marktumfeld?

Melanie Kreis: Gerade jetzt wissen unsere Kunden einen verlässlichen Logistikpartner zu schätzen. Wir finden auch bei temporären Störungen einzelner Handelsrouten Lösungen für stabile Güterströme - auch wenn das vorübergehend höhere Kosten mit sich bringt. (…) Dafür sind unsere Kunden auch bereit, einen angemessenen Preis zu bezahlen, und das spiegelt sich in unserem Ergebnis wider.

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Mit welchen Ergebnissen rechnen Sie angesichts des schwierigen Marktumfelds kurz- und mittelfristig?

Die aktuell am Kapitalmarkt dominierenden Risiken rund um die Entwicklung von Energiepreisen, Inflation und Zinsen spielen für unsere Ergebnisentwicklung derzeit keine grosse Rolle. Die steigenden Energiepreise belasten unser Ergebnis nur geringfügig, da Treibstoffzuschläge ein etablierter Bestandteil unserer Preisgestaltung sind und diese regelmässig angepasst werden. Entsprechend können wir einen unverändert positiven Ergebnisausblick geben und bestätigen unsere Ergebnisprognose von 8,0 Mrd. Euro mit einer Abweichung von + / - 5 Prozent für 2022 auch angesichts eines möglichen weltwirtschaftlichen Abschwungs im zweiten Halbjahr. (…) Sollte sich das weltwirtschaftliche Wachstum lediglich verlangsamen, erwarten wir ein EBIT im oberen Prognosebereich zwischen 8,0 und 8,4 Mrd. Euro. Selbst für den Fall einer plötzlichen drastischen Abkühlung der Weltwirtschaft im zweiten Halbjahr erwarten wir in 2022 ein EBIT im unteren Prognosebereich zwischen 7,6 und 8,0 Mrd. Euro.

Die letzten beiden Geschäftsjahre haben die Vorteile unseres ausbalancierten Portfolios klar gezeigt. Unmittelbar nach Ausbruch der Pandemie war es das B2C-Geschäft, das für starkes Wachstum gesorgt hat und sich nun auf hohem Niveau stabilisiert. Aktuell ist das B2B-Geschäft eindeutig der Wachstumstreiber. (…) Wir sind gut aufgestellt und halten an unserer mittelfristigen EBIT-Prognose von rund 8,5 Mrd. Euro für 2024 fest.

Wie lief das Geschäft bei DHL Express?

Die Division hat erneut einen Gewinn von über einer Milliarde Euro geliefert. Bei moderat gesunkenen TDI-Volumina beobachten wir weiterhin einen Trend zu einem höheren Gewicht pro Sendung. Das wirkt sich positiv auf unseren Umsatz aus. Die höheren Kerosinpreise können wir durch die monatliche Anpassung der Treibstoffzuschläge - mit einem zeitlichen Versatz von zwei Monaten - ausgleichen. Schlussendlich haben wir erneut eine EBIT-Marge von 15,7 Prozent erzielt. Das starke Ergebnis ermöglicht uns, weiter in das nachhaltige Wachstum der Division zu investieren. In der Region Americas erweitern wir noch in diesem Jahr unsere Kapazitäten und investieren in Gebäude, Flugzeuge und den Ausbau der Elektro-Zustellflotte. In unserem Hub in Leipzig nutzen wir einen smarten Scanner bei der Beladung von Luftfrachtcontainern. Damit können wir noch effizienter und ressourcenschonender arbeiten. Viele kleine und grosse Massnahmen tragen dazu bei (...).

12 Stück sind bestellt: Elektroflugzeug Alice

DHL Freight hat erneut enorme Wachstumsraten erzielt. Welche Faktoren waren dafür ausschlaggebend?

Global Forwarding, Freight hat an die herausragende Entwicklung des ersten Quartals angeknüpft und war mit 8,2 Mrd. Euro erneut die umsatzstärkste Division. (…) Bei der Seefracht haben wir durch die erfolgreiche Integration des Getränkelogistikers Hillebrand höhere Transportmengen verzeichnet als im Vorjahresquartal. Gleichzeitig verlagert sich zunehmend Fracht von der Luft zurück auf die See. Dabei spielt sicher eine Rolle, dass die Kapazitäten für Luftfracht weiter angespannt waren und sich die Termintreue auf See verbessert hat. Entsprechend sind die Mengen in der Luftfracht moderat gesunken. Auch die Nachfrage nach Strassentransport und massgeschneiderten multimodalen Logistik-Dienstleistungen ist weiter hoch. Wir vergrössern daher unser Netzwerk und haben unter anderem ein neues Frachtterminal in der bulgarischen Hauptstadt Sofia eröffnet. (…)

Wie lief das zweite Quartal für DHL Supply Chain?

Supply Chain hat die Marke von 4 Mrd. Euro Umsatz geknackt und eine branchenführende EBIT-Marge von 6,0 Prozent erzielt. Der wieder erstarkte Welthandel hat sich positiv auf die Kontraktlogistik ausgewirkt und eine starke Performance in allen Regionen ermöglicht. Besonders stark war jedoch die Ergebnisentwicklung in Nordamerika. Die positive Ergebnisentwicklung unterstreicht den gestiegenen Stellenwert von stabilen Lieferketten. Kunden sind nun häufiger bereit höhere Lagerbestände zu halten, um sich gegen Unwägbarkeiten wie erneute Lockdowns zu wappnen. Insgesamt ist die Nachfrage nach Lager- und Distributionsleistungen vor allem in den Bereichen Auto-mobility, Life Sciences & Healthcare und Einzelhandel gestiegen.

Der steigenden Bedeutung von Transport- und Lagerlogistik tragen wir mit der jüngsten Übernahme der australischen Glen Cameron Group Rechnung. Besonders investieren wir aber in Automatisierung und Digitalisierung für eine verbesserte Produktivität. Von den 100.000 Vollzeit-Lagerarbeitern bei Supply Chain werden bereits 75 Prozent der Beschäftigten in ihrer Tätigkeit durch konkrete Projekte aus dem Umfeld Digitalisierung und Automation unterstützt. So sind in unseren nordamerikanischen Standorten bereits über 2000 Roboter im Einsatz, die schon mehr als 100 Mio. Einheiten kommissioniert haben. Daraus ziehen wir deutliche Effizienzgewinne und werten Lagertätigkeiten auf.

Sie gehen im Onlinehandel weiterhin von Wachstum aus?

Ja, das eCommerce-Geschäft ist ein langfristiger Trend und eine wichtige Säule unserer Strategie 2025. Langfristig gehen wir davon aus, dass der Onlinehandel schneller als die Weltwirtschaft wachsen wird. Daran ändert sich nichts, auch wenn Konsumenten aufgrund einer voranschreitenden Inflation aktuell zurückhaltender sind. Das muss nicht zwangsläufig heissen, dass die Sendungsmengen sinken. Die höhere Preistransparenz im Onlinehandel kann Konsumenten sogar stärker anziehen. Viele Potentiale sind auch im B2B-Bereich vorhanden, wo eine steigende Anzahl von Onlineshops für Gewerbetreibende zu beobachten ist. Wir sind in den Regionen, in denen sich der Onlinehandel besonders vielversprechend entwickelt, sehr gut positioniert: Das sind unter anderem Nordamerika, Indien und Europa. In diesen Märkten investieren wir erheblich in den Ausbau von Kapazitäten. In Grossbritannien etwa haben wir ein 560 Mio. Euro schweres Investitionsprogramm gestartet. Das Geld fliesst in Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, ein neues Paketzentrum sowie in Abhol- und Zustelldepots, die alle höchste Umweltstandards erfüllen. Das zeigt auch: Onlinehandel und nachhaltiges Wirtschaften sind kein Widerspruch, sondern gehen Hand in Hand.

Welchen Stellenwert haben nachhaltige Lösungen?

Der Klimawandel ist und bleibt die grösste Herausforderung der Menschheit. Bis 2030 wollen wir sieben Mrd. Euro in klimaneutrale Logistiklösungen investieren. Ein zentraler Hebel zur Dekarbonisierung sind nachhaltige Kraftstoffe auf allen Transportwegen. Mit Hapag Lloyd haben wir jüngst eine Kooperation zum Einsatz von Biokraftstoffen in der Containerschifffahrt besiegelt. Auch in der Luftfracht haben wir Partnerschaften für den Bezug von nachhaltigen Kraftstoffen (SAF) geschlossen. Wir würden das Tempo gerne weiter steigern, doch es gibt zu wenig SAF am Markt. (…) Auf der letzten Meile setzen wir auf Elektromobilität. Mit der Erweiterung unserer Flotte um 44 elektrische Volvo-LKW erproben wir dies nun auch auf der Langstrecke. Dadurch sparen wir rund 600 t CO2 und fast 225.000 l Dieselkraftstoff pro Jahr. Die Express Division hat bekanntlich auch als erstes Unternehmen der Welt zwölf Elektroflugzeuge des Typs "Alice" bestellt.

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