Die Ansage von Mauro Lunardelli, Chef der «Logistics Solutions» bei SSI Schäfer, hätte sinnbildlich auch für die längst an die Dimensionen der Hannover Messe erinnernde LogiMAT 2025 stehen können. Die Bedeutung der «Stuttgarter» für weltweite Materialfluss- und Logistiksysteme ist jedoch ungleich grösser.
Die aus allen Nähten platzende LogiMAT verweist nicht erst seit der Corona-Krise, die als Härtetest galt, auf die enorm an Bedeutung gewinnende Grundversorgungs-Leistung der Logistik, die aufgrund ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit den Stellenwert des Bankensektors nun schon seit einiger Zeit überholt hat. Wertvoll zugleich der Hinweis von Alice Kirchheim, seit kurzem Chefin des Fraunhofer Instituts für Materialfluss und Logistik (IML), dass Europa sich zunehmend darauf einstellen muss, die bisherige US-Dominanz im IT-Sektor durch eigene Open-Source-Projekte zu brechen, die nicht einfach nach Belieben von spontan agierenden Autokraten abgeschaltet werden können.
A.Kirchheim: US-Dominanz in der IT brechen
Sogar humanoide Robots wie der noch zu Zeiten von Ex-IML-Chef Michael ten Hompel entwickelte EvoBot sind mithilfe moderner KI und beschleunigter Rechen- und Stabilitäts-Software inklusive innovativer Greifsysteme seit kurzem wieder verstärkt im Rennen, weil sich die praktische Anwendung durch selbstlernende «Artificial Intelligence» (AI) vereinfacht hat. Das IML selbst stellte in Stuttgart eine digital gesteuerte Miniatur-«Schiffswerft» vor.
Nahezu überflüssig – aber anlässlich einer Pressekonferenz doch ein wenig zu hastig beiseite geschoben – schien es deshalb beinahe schon, die üblichen Steigerungen, Zahlen und Fakten herunterzubeten. Zumal Teilnehmer und Besucher auf den 68 197 Quadratmetern Netto-Fläche der 1623 Aussteller angesichts der Streiks im Öffentlichen Verkehr und damit teils mangelnder Möglichkeiten anders als mit dem Pkw zum Messegeschehen zu gelangen, deutlich ächzten.
Zeitweise herrschte in und um den Flughafen kompletter Stillstand. Parkplätze wurden komplett gesperrt, wertvolle Stunden auf nur 800 m «langen» Wegen zwischen Parkhaus, Haupteingang (Ost) und Westeingang samt Terminen verschleudert, die nicht oder nur erheblich verspätet wahrgenommen werden konnten.
Umso mehr Bewegung steckt gegenwärtig in technischer Hinsicht in der Logistik und sämtlichen Supply Chain-Vorgängen hinsichtlich zügig voranschreitender Automatisierungs-Vorgänge, Robotisierung und Digitalisierung einschliesslich des jüngsten Hype der von Künstlicher Intelligenz und ihren Chancen forcierten Transport- und Materialfluss-Vorgänge.
Starke Schweizerische Präsenz
Nur stichpunktartig somit auch die übliche Verleihung des «Besten Produkts» in der Kategorie Kommissionier-, Förder-, Hebe-, Lagertechnik an einen «AeroBot» des österreichischen Intralogistik-Anbieters Knapp. Eine neue Generation von Lagerrobotern, die unter dem Regalsystem sowie vertikal entlang der Regale per Lidar-Orientierung in der Lage sind, sich bis zum vorgegebenen Stellplatz in drei Dimensionen zu bewegen. Dort übernimmt ein kleiner Bot Satellit, der sich direkt auf dem AeroBot befindet, das Ein- und Auslagern der bis zu vierfachtief gelagerten Systembehälter, den sogenannten Aeroboxen, mit einem Gewicht von bis zu 35 kg. Das Kompaktlager ermöglicht Bauhöhen von bis zu 12 m.
In der Kategorie Identifikation, Verpackungs- und Verladetechnik sowie Ladungssicherung holte eine vierte Generation von RFID-Lesegeräten des Herstellers Kathrein die Auszeichnung als «Bestes Produkt». Die neue Generation von «Readern» verfügt – fast schon wie eine satellitengestützte Bodenstation aus Zeiten des Kalten Krieges - über zwei Gerätevarianten: ein ARU (Antenna Reader Unit mit integrierter Antenne und 3 Ausgängen für externe Antennen) und ein RRU (Reader Unit mit 4 Ausgängen für externe Antennen).
ARU Gen4 von Kathrein
Die integrierte Antenne im ARU Gen4 ist ein zirkular polarisiertes «Phased-array»-Antennensystem, das drei skalierbare Antennenbeams hat. Zwei dieser Beams sind breit und nach links und rechts, der dritte Beam schmal und geradeaus ausgerichtet. Auf einem Gabelstapler positioniert, entkommt diesem Gerät praktisch kein Transponder mehr, der auch nur irgendwo auf einer Palette angebracht ist. Echtzeit-Inventuren können damit bereits dann durchgeführt werden, wenn die ganze Chose noch in Bewegung ist.
In der Kategorie Software, Kommunikation, und IT wurde ein «PSIwms AI» des Anbieters PSI belohnt. Die KI-Lösung analysiert stündlich tausende von Lagerbetriebsszenarien und gibt fortlaufend Optimierungs-Empfehlungen. Grundlage ist ein digitaler Zwilling des realen Lagers, der Daten generiert, die für das Training von Machine-Learning-Modellen (Algorithmen) verwendet werden. Dieses virtuelle Testlager ist mit dem WMS verbunden und repräsentiert das reale Lager, indem es alle relevanten Prozesse und Merkmale widerspiegelt.
«PSIwms AI» von PSI
In einem Referenzprojekt hat die Plattform die relevanten Prozesse eines Distributionszentrums mit 750.000 Lagerplätzen und mehr als 700 Mitarbeitern analysiert. Infolge konnten die Prozesse derart optimiert werden, dass die Kommissionierwege um etwa 31 Prozent verkürzt und die Effizienz des gesamten Kommissionierprozesses um etwa 23 Prozent gesteigert wurden. Die KI-Plattform wird über eine Schnittstelle direkt mit dem Warehouse Management System PSIwms verbunden. Die KI-Plattform wurde in Stuttgart anhand eines Showcases vorgeführt.
(Weitere Berichte folgen)
klk.
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- Geschrieben von: Klaus Koch
