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Weil das deutsche Verkehrsministerium – im realen, wie auch im übertragenen Sinne – derzeit einer Baustelle gleicht, fanden die Auszeichnungen der Internationalen Logistics Hall of Fame diesmal vor rund 200 Gästen in der obersten Etage des weltbekannten «Konsumtempels» statt. Humanitäre Logistik rückt in den Fokus.

 Kräftiger Applaus im Wintergarten des Traditionskaufhauses in Berlin und «grosser Bahnhof» für den weltweiten Siegeszug der Palette. Einen Platz unter den berühmten Logistikern der Welt erhielten in diesem Jahr nicht nur zwei Persönlichkeiten, sondern zum ersten Mal vergab die Jury auch zwei Plätze an Vereinigungen. «Eine Wirtschaft ohne Paletten können wir uns heute kaum noch vorstellen. Wer Güter in grösseren Einheiten verdichten und sie platzsparend lagern möchte, wer Wert legt auf einen effizienten, schnellen und sicheren Transport, der kommt an der Palette nicht vorbei», so Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, seit April 2022 Schirmherr der Ruhmeshalle, in seiner Laudatio.

Ab 2023: Die Lynn C. Fritz-Medaille

Posthum wurde George Raymond Senior (1890-1967) in die Internationale Logistics Hall of Fame (LHoF) aufgenommen. Der US-Amerikaner gründete den Intralogistikspezialisten The Raymond Corporation und erfand die 1939 patentierte doppelte Holzpalette. Steve Raymond, ehemaliger Präsident der Raymond Handling Concepts und Enkel von George Raymond Senior, nahm die Trophäe aus der Hand des Bundesverkehrsministers entgegen.

Auch einen Platz in der Ruhmeshalle belegt Oliver Richter (1920-2014). Der Australier sah in den 1960er Jahren als Manager von Brambles das Potenzial eines geschlossenen Mietpools für Ladungsträger. Zudem verhalf er dem heutigen Chep-System als geschlossenen Mietpool international zu grossem Erfolg. Die Urkunde bekam der Senior Vice President & Country General Manager, Central & Eastern Europe bei Chep, Volker Sdunzig, überreicht.

Die Paletten-Pioniere

Die UIC (Union Internationale des Chemins de Fer) gilt in der Logistik als die Mutter der Europalette, die 1961 in einem Arbeitskreis der europäischen Bahnen entwickelt wurde. Der internationale Eisenbahnverband forcierte die Vereinheitlichung der Paletten. Gleichzeitig verpflichtete er alle Unterzeichner eines Vertrags zur Einhaltung der Normen, zur Produktion sowie zur Reparatur der Europalette. Thomas Metlich, Vorsitzender der UIC-AG «Fragen der Palettierung», bekam die Auszeichnung für den Verband ausgehändigt.

Für die European Pallet Association (EPAL) nahm dessen Präsident Dirk Hoferer die Urkunde aus Glas und Stahl in Empfang. In den 1970er Jahren übernahm das heutige Nationalkomitee der Vereinigung die Verbreitung und die Qualitätssicherung der Europalette in weiten Teilen. Die 1991 gegründete EPAL hat den Poolgedanken weitergesponnen und die Qualität der Europalette gesichert. Die Entscheidung über den Einzug der Palettenpioniere in die Logistics Hall of Fame fällte im Sommer die 70-köpfige Jury, der Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien in 13 Nationen angehören.

N. Humphrey

Auch dem Supply-Chain-Chef des Logistikdienstleister Havi, Neil Humphrey, wird der Galaempfang lange in Erinnerung bleiben. Der Brite wurde als «Traton Logistics Leader of the Year 2022” geehrt. Friedrich Baumann, Vorstandsmitglied für Sales und Customer Solutions bei der Traton-Marke MAN Truck & Bus und Vertreter des Award-Stifters, würdigte in seiner Laudatio Humphrey als «Vorreiter für nachhaltige Supply-Chain-Praktiken und Digitalisierung, engagierten Netzwerker und unermüdlichen Treiber von Digitalisierungsinitiativen sowie Pilotprojekten mit neuen Technologien». Humphrey wechselte 2017 von Unilever zum Kontraktlogistiker Havi. Seit 2018 lenkt er den Geschäftsbereich Supply Chain. Unter seiner Führung schloss sich der Dienstleister 2019 der Science Based Targets Initiative (SBTi) an ̶ damals als einer der ersten zehn Logistikdienstleister weltweit. Havi verpflichtete sich, die Kohlendioxidemissionen bis 2030 um 40 Prozent pro gelieferter Tonne zu reduzieren. Nachdem das Programm erfolgreich lief und die Wissenschaft neue globale Massstäbe beim Klimaschutz gesetzt hat, prüft Havi aktuell eine Erhöhung dieses Ziels. Havi ging auch eine Partnerschaft mit einem Nutzfahrzeughersteller ein, um 70 Prozent seiner europäischen Lieferflotte von Diesel auf alternative Kraftstoffe umzustellen. 2021 war das Ziel erreicht. Neben der Unterstützung von Projekten mit alternativen Kraftstoffen, umweltfreundlichen Logistikzentren oder E-Trucks haben der 59-jährige Manager und sein Team auch ein Pilotprojekt mit Hybrid-Lkw in Stockholm ins Laufen gebracht. Ziel ist es, eine klimaneutrale Hybrid-Lkw-Lösung in ganz Europa einzuführen. Die Fahrzeuge nutzen ihre Batterien für den Betrieb in der City, verwenden aber ausserhalb der City wiederaufbereitetes Frittieröl als Kraftstoff. Das gebrauchte Öl wird bei der Belieferung von Restaurants gesammelt, in einer speziellen Anlage aufbereitet und danach in die Tanks der Havi-Lkw gefüllt.

Fotos: S.Gabsch/LHoF

Im Rahmen des Galaempfangs kündigte die Organisation einen neuen internationalen Stifterpreis an. Mit der Lynn C. Fritz Medal for Excellence in Humanitarian Logistics sollen ab 2023 jährlich humanitäre Organisationen und deren Partner für herausragende Logistikprojekte ausgezeichnet werden. Initiator und Stifter der Medaille ist das Fritz Institute in San Francisco (USA). Benannt ist der Award nach dem Gründer und CEO des Instituts, Lynn C. Fritz, der 2021 als «Begründer der Logistik für humanitäre Organisationen» in die Logistics Hall of Fame aufgenommen wurde. «Mit der Auszeichnung sollen die Bedeutung herausragender Logistikleistungen innerhalb des Sektors hervorgehoben und innovative Ansätze zur Stärkung der Katastrophenhilfe gefördert werden», betonte der Entrepreneur während des Galaempfangs. Ab März 2023 können sich humanitäre Organisationen mit erfolgreich abgeschlossenen Projekten auf der Website der Logistics Hall of Fame für die Auszeichnung bewerben.

www.logisticshalloffame.net