Behälter im Zwischenlager. Foto: Nagra

Die Region ist unruhig.  Noch am Samstag hat ein Erdbeben der Stärke 4,3 bei Mulhouse, rund 50 km entfernt, den Rhein erschüttert, das auch im Schwarzwald deutlich zu bemerken war. Am Montag wird die NAGRA ab 9 Uhr in einer Live-Konferenz verkünden, wo sie künftig ihre radioaktiven Abfälle versenken will.

Radioaktive Abfälle entstehen in der Schweiz bei der Stromproduktion in Beznau, Leibstadt und Gösgen, sowie beim Rückbau des KKW Mühleberg, aber auch in der Medizin, Industrie und Forschung. Es wird zwischen hochaktiven Abfällen (HAA) sowie schwach- und mittelaktiven Abfällen (SMA) unterschieden. Bis 2075 wird voraussichtlich ein Volumen von rund 90000 Kubikmetern (siehe Tabelle) anfallen. Rund 90 Prozent davon sind SMA, der grösste Teil davon fällt erst beim Rückbau der Kernkraftwerke an.

Abb.: Nagra

Je nach Abfallkategorie müssen diese Abfälle mehrere zehntausend bis zu einer Million Jahre sicher gelagert werden, bis sie keine Gefahr mehr für Mensch und Umwelt darstellen. Momentan sind sie in gesicherten Hallen an der Erdoberfläche untergebracht, die sich bei den Kernkraftwerken und in zwei zentralen Zwischenlagern im Kanton Aargau befinden.

Gesetzlich vorgeschrieben ist, dass die Abfälle langfristig sicher in geologische Tiefenlager verbracht werden. Das Standortsuchverfahren dafür lief seit 2008 nach einem Sachplan. Insgesamt wird die Fixierung des Standorts, die von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle vorgenommen wird, erst 2031 abgeschlossen sein.

Zwilag im Aargau

Die Vorschriften in der Schweiz richten sich nach internationalen Regelwerken über den Transport gefährlicher Güter. Bewilligungen für den Transport von Kernmaterial werden vomBundesamt für Energie ausgestellt. Grundlage der Bewilligung des Bundesamtes für Energie ist eine sicherheitstechnische Stellungnahme des Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI).

Ein geologisches Tiefenlager braucht Bauten an der Erdoberfläche. Alle Bauten zusammengefasst bilden die Oberflächeninfrastruktur. Die markantesten dieser Infrastrukturen sind die Anlage am Zugang des Portals des Lagertunnels, die sogenannte Oberflächenanlage und die Nebenzugangsanlagen für Bau und Belüftung. Die Erschliessung dieser Anlagen (z.B. ein Umladebahnhof) und temporär benötigte Flächen für den Bau der Anlage (z.B. Installationsplatz, Ausbruchdeponie) werden ebenfalls zu den Oberflächeninfrastrukturen gezählt.

Untersuchte Standorte

In Etappe 1 wurden geeignete Standortgebiete aufgrund sicherheitstechnischer und geologischer Kriterien identifiziert. Die Nagra hat drei Standortgebiete für hochradioaktive und sechs für schwach- und mittelradioaktive Abfälle vorgeschlagen. Diese wurden dann vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI geprüft und bestätigt. Es waren dies: Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost (jeweils beide Abfalltypen), Jura-Südfuss, Südranden und Wellenberg (jeweils nur schwach- und mittelaktiv). Die sechs Standortgebiete wurden vom Bundesrat genehmigt und in den Sachplan aufgenommen. Für die Mitwirkung der Standortregionen wurden Ende Etappe 1 Regionalkonferenzen gegründet.

In Etappe 2 arbeitete die Nagra zusammen mit den Regionalkonferenzen an der Platzierung und Ausgestaltung des jeweiligen Standortareals für Oberflächenanlagen. Die benötigte Fläche variiert je nach Region und Vorschlag und reicht von 14 bis 24 Hektaren Land (s. Tabellen unten). Mit dem Bundesratsentscheid zu Etappe 2 wurden die Standortareale für Oberflächenanlagen festgelegt. In der laufenden Etappe 3 können diese Standorte noch optimiert werden. Zudem werden die Standorte für die Nebenzugangsanlagen diskutiert und festgelegt.

Die Transporte von nuklearem Abfall unterliegen strengsten Sicherheitskriterien. Spezialbehälter wurden entwickelt, um abgebrannte Brennelemente und hochradioaktive verglaste Abfälle aus kerntechnischen Anlagen (z.B. Kernkraftwerken) zu ihren Zwischenlagern zu transportieren. Sie sollen Strahlung abschirmen und die Freisetzung von Radioaktivität verhindern.

Abfallmengen

Die Grafik zeigt Abfälle gemäss Entsorgungsprogramm 2016 bei 60 Jahren Laufzeit der bestehenden Kernkraftwerke, Mühleberg (47 Jahre)

Für Brennstäbe, die noch Wärme entwickeln, besitzen die Behälter Kühlrippen. Boden und Stahldeckel sind mit abschirmenden Polyethylenplatten ausgerüstet. Das Deckelsystem besteht in der Regel aus einem so genannten Zwei-Barrieren-Dichtsystem (ein Primär- und ein Sekundärdeckel), auf das während der Lagerung noch ein dritter Schutzdeckel aufgesetzt wird. Sowohl der Deckelbereich des Behälters als auch der Bodenbereich werden während des Transports durch grosse Stahlblech-Stossdämpfer, die mit stossdämpfenden Materialien (z.B. Holz) gefüllt sind, geschützt. Sie sind etwa sechs Meter lang, besitzen einen Durchmesser von etwa zwei Metern und können beladen bis zu 150 Tonnen wiegen.

Bei Fallversuchen mussten Behälter aus neun Metern Höhe auf ein unnachgiebiges Fundament fallen und zwar so, dass es zum grösstmöglichen Schaden kommt. In der zweiten Fallprüfung fällt der Behälter aus einem Meter Höhe auf einen festen Stahldorn von 15 Zentimetern Durchmesser und 20 Zentimetern Höhe. Auch hier wird der Behälter in verschiedenen Positionen so ausgerichtet, dass ein grösstmöglicher Schaden entsteht.

Bei leichten Behältern bis zu 500 Kilogramm Masse und einem spezifischen Gewicht von weniger als 1000 Kilogramm pro Kubikmeter wurden zusätzlich Quetschtests durchgeführt. Dabei fällt ein Gewicht von 500 Kilogramm aus neun Metern Höhe auf den auf dem unnachgiebigen Fundament befindlichen Behälter.

Am Montag, 12. September wird eine Direktübertragung der Medienkonferenz zum bevorzugten Standort der Nagra für das geologische Tiefenlager ab 9 Uhr hier verfügbar sein.

Quellen:

www.nagra.ch

www.admin.ch

www.radioaktiveabfaelle.ch