Piper PA-46 M600 auf der AERO in Friedrichshafen 2018

Mit Wasserstofftechnik würden Emissionen nicht gänzlich verhindert, aber auch im Luftverkehr gegen Null getrieben. Bis zur Anwendung in Flugzeugen mit grösserer Kapazität und Reichweite werden aber noch mindestens 20 Jahre vergehen, sagt Dragan Kozulovic, Professor für Flugantriebe an der HAW Hamburg.

Dragan Kozulovic ist unter anderem stellvertretender Leiter des Forschungs- und Transferzentrum (FTZ) «Future Air Mobility» an der HAW. Katharina Jeorgakopulos sprach mit ihm über grüne Antriebstechnologien im Flugzeug.

Herr Kozulovic, in renommierten Fachzeitschriften sagen Sie, dass Wasserstoff die Emissionen der Flugzeuge bis auf Null reduzieren kann.


Kozulovic: Der Einsatz von Wasserstoff in einem Brennstoffzellen-Triebwerk tilgt zwar vollständig die Kohlendioxid- und Stickoxid-Emissionen, nicht jedoch den Wasserdampf. Dieser entsteht bei der Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff. Da es sich um ein klimarelevantes Gas handelt, das zur Erderwärmung beiträgt, werden derzeit technologische Möglichkeiten erforscht, diesen Einfluss auf das Klima zu verringern.

Wird die neue Antriebstechnik eher auf Kurzstrecken- oder Langstreckenflügen zum Einsatz kommen?
Höchstwahrscheinlich wird die Technologie zunächst auf Kurzstrecken eingesetzt. Ich spreche hier von Regional-Flugzeugen mit einer Reichweite von 1000 km und zirka 80 Passagieren. In diesem Bereich sind die Entwicklungskosten für ein neues Flugzeug nicht all zu hoch.
Ob sich die Wasserstofftechnologie für Langstreckenflugzeuge eignet, ist im Moment noch unklar. Um es anschaulicher zu machen: Der Anteil des Treibstoffs steigt bei Langstreckenflügen auf zirka 50 Prozent des Startgewichts, was Kompromisse zwischen der Tank-Unterbringung, der Transportkapazität und der Flugzeugstruktur erfordert. Künftige Untersuchungen müssen zeigen, ob das Langstreckenflugzeug mit Wasserstoff-Technologie wirklich profitabel ist.

Ist Wasserstoff der einzige CO2-neutrale Brennstoff, der in Frage kommt? Warum nicht ein E-Flugzeug oder Solartechnik?

Die Energiedichte von Batterien oder Solarpanelen ist erheblich geringer als die von Kerosin oder Wasserstoff. Daher werden Batterien zunächst nur bei sehr kleinen Flugzeugen mit zirka fünf Passagieren und mit einer niedrigen Fluggeschwindigkeit zum Einsatz kommen. Für grössere Flugzeuge gibt es neben Wasserstoff und Kerosin weitere Optionen. Wir sprechen hier von Treibstoffen, die man aus Biomasse gewinnt und die man unter dem Begriff «Sustainable Aviation Fuels» – SAF zusammenfasst. Wie nachhaltig diese sind, ist von Fall zu Fall zu betrachten. Eine bessere Bilanz und Nachhaltigkeit weist zum Beispiel die Veredelung von Abfallprodukten zu Treibstoff auf. Aber kein SAF ist gänzlich CO2-neutral!

Dennoch haben die SAF insgesamt eine deutlich bessere CO2-Bilanz als Kerosin und können eigentlich sofort in der Luftfahrt eingesetzt werden. Neuere Triebwerksmodelle sind heute schon in der Lage, mit Beimischungen von SAF zu fliegen und ein hundertprozentiger Einsatz stellt auch keine grosse Herausforderung für die Antriebstechnik und die Infrastruktur dar.

Grafik zur Energiedichte von Kraftstoffen. Bilder: HAW / Matt Blume

Die Erzeugung von Wasserstoff ist energieintensiv. Welche Modelle zur klimaneutralen Herstellung gibt es?
Die Elektrolyse des Wassers mit regenerativem Strom bezeichnet man mit «grünen» Wasserstoff. Bei diesem Prozess wird etwa nur die Hälfte der Energie im Wasserstoff gebunden. Der «graue» Wasserstoff entsteht durch Wärmeeinwirkung auf Erdgas. Dabei werden die Wasserstoffatome herausgelöst. Diese Methode macht den Löwenanteil der aktuellen Produktion aus. Sie benötigt weniger Energie als die energieintensive Elektrolyse und ist entsprechend kostengünstiger, aber es handelt sich dabei um eine fossile Energiequelle. Einen Mittelweg stellt der «blaue» Wasserstoff dar, der wie der graue aus Erdgas entsteht, dabei aber das CO2 abtrennt, speichert oder weiterverarbeitet.

Gibt es schon jetzt erprobte Modelle von Fliegern mit Wasserstoff und welche Forschungen gibt es dazu?
Interessant ist der Einsatz von Wasserstoff in einer Brennstoffzelle, da dabei keine Stickoxide entstehen. Erste Forschungs- und Entwicklungsarbeiten dazu gab es ab dem Jahr 2000, unter anderem die europäischen Forschungsvorhaben CRYOPLANE und, ab 2010, das Projekt ENABLEH2. Airbus und weitere Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen loteten die Grundlagen der Wasserstoff-Fliegerei aus.
Bislang wurden kleinere Flugzeuge als Technologie-Demonstratoren gebaut wie beispielsweise die Boeing-Diamond-HK36, die Antares-DLR-H2 oder die DLR-HY4. Vor kurzem wurde eine Piper PA-46 von der Firma ZeroAvia auf Brennstoffzellen umgerüstet. Derzeit werden Brennstoffzellen-Triebwerke im Megawatt-Bereich für Regional-Flugzeuge entwickelt. An diesen Arbeiten sind unter anderem Airbus, MTU Aero Engines, DLR und mehrere Hochschulen beteiligt. Themen der Forschung
sind Wasserstofftank, Brennstoffzelle, Elektromotor, Leistungselektronik und Propulsor – was ein Propeller, ein Turboprop oder ein Fan von einem Strahltriebwerk sein kann.

www.haw-hamburg.de