Hauptsitz der Brauerei Locher

Für 28 klangvolle Bierspezialitäten wie Kastanien-, Honig-, Reisbier oder nach Bergen benannte Whiskys ist die Appenzeller Traditionsbrauerei Locher bekannt. Westfalia automatisierte für die Ostschweizer bereits 2017 die Lagerlogistik und kombinierte hohe Umschlagleistung mit komplexem Materialfluss auf engstem Raum. Das hat sich ausgezahlt.

Die mit 100 Mitarbeitenden grösste eigenständige Brauerei der Ostschweiz ist seit 5. Generationen in Familienhand und wächst unbeirrt mit dem Schweizer Biermarkt. Der legte zwischen 2016 und 2019 um rund 7,4 Prozent zu. 3,68 Mio. Hektoliter haben die heimischen Brauereien im Vorjahr laut Schweizer Brauerei-Verband produziert. Gut 7 Prozent davon – mehr als 250.000 Hektoliter – kommen jährlich aus den drei modernen Abfüll-Linien und zwei neuen Lagertanks der Appenzeller, die ihr Sortiment ständig ausbauen.

Westfalia entwickelte und realisierte für die Brauerei als Generalunternehmer ein räumlich und ökonomisch passgenaues automatisches Lagersystem in Silobauweise für Dosen, Einweg- und Mehrwegflaschen, KEG-Fässer, Verpackungsmaterial, Handelsware und Brauerei-Werbeartikel mit 7003 Regalplätzen auf neun Ebenen. Alles wird für den maximalen Durchsatz auf bis zu einer Tonne schweren Euro- oder Industriepaletten transportiert, darunter auch bis zu 2,45 m hoch beladene ORBIS-Paletten. Die gelangen mit 2500 Leerdosen zunächst in ein separates Blocklager, von hier dann zu den Produktionslinien. Erst als Vollgut werden die Dosen auf Europaletten gestapelt und in das eigentliche Hochregallager befördert. Die 130 Meter lange Gesamtanlage und das neue, knapp 22 Meter hohe Hochregallager wurden auf rund 1500 Quadratmetern nahtlos in die bislang manuelle Intralogistik integriert – manuell sind jetzt nur noch Paletten-Aufgabe, Mischpaletten-Kommissionierung und LKW-Beladung.

Dosen im  Zwischenpuffer.

«Die Brauerei hat die Abfüllanlagen mit Mehrwegflaschen und KEG-Fässern erweitert und die Versandlogistik inklusive der Handelsware am neuen Standort gebündelt», erklärt René Giger, verantwortlicher Vertriebsmitarbeiter bei Westfalia. «Die steigenden Umsatzzahlen lassen sich dank der besonders hohen Kapazität und der Umschlagleistung der Gesamtanlage von 212 Paletten pro Stunde bewältigen. Selbst bei Produktionspausen oder einem Ausfall der Abfüllung würden der Versand und die Kommissionierung weiterlaufen.»

Für die neue Bewegung in der Locher-Geschichte greifen Hunderte Förderaggregate, ein Hochleistungsquertransportwagen zu den Produktionslinien, je ein Quertransportwagen an den LKW-Bereitstellungsbahnen und an den Kommissionierbahnen, zwei Senkrechtförderer und drei 21,7 m hohe Regalbediengeräte ineinander. Die drei RBG mit Satelliten bilden das Herzstück des Lagersystems. Durch die regelmässigen Wartungen des Westfalia Service und einem Ersatzteilpaket vor Ort ist die Anlage auf Jahre als zuverlässiges System ausgelegt.

Über insgesamt drei Einlagerbahnen im Blocklager wird Leergut aufgegeben, über eine separate Bahn Handelsware oder Vollgut für die Kommissionierung. Eingeschleust werden dort ausserdem Leergutpaletten, aber auch reklamierte Waren. An der Aufgabestation lässt sich per Monitor der Identifikationspunkt bedienen, jedes Gebinde und jede barcodelose Leerpalette zuweisen. Ein Fördertechnikloop zwischen Hochregallager und Produktionslinien koordiniert die pausenlose Palettenver- und -entsorgung

Duett mit Quertransport und Savanna.NET

Ein zentraler Quertransportwagen mit zwei Palettenplätzen pendelt zwischen dem Loop und den Einlagerbahnen der Einweglinie, Mehrweglinie und Abfülllinie für KEG-Fässer. Er versorgt diese mit Leergut und transportiert Vollgut zurück zum Fördertechnikloop vor dem Hochregallager. Jeder Freiraum ist bestmöglich ausgenutzt. Freiräume links und rechts der QTW-Gasse wurden mit Lagerplätzen versehen, um eine schnelle Nachversorgung der Produktionslinien mit Leergebinden zu schaffen. Die KEG-Linie im ersten Obergeschoss ist über eine Förderstrecke mit Senkrechtförderer an den Quertransportwagen angebunden.

Fotos: Westfalia

Die hohe Lagerkapazität schafft Spielraum für die Ausfallsicherung. Ersatzweise steht ein zweiter Hochleistungsquertransportwagen in der Nähe, um hier im Falle einer Störung kurzfristig das Fahrzeug zu tauschen. Alle anderthalb Jahre wird der QTW vorsorglich im Rahmen der drei jährlichen Wartungen getauscht. Für Effizienz und geringen Verschleiss sorgt aber auch die modulare Lagerverwaltungssoftware Savanna.NET®. Sie vermeidet Leerfahrten, indem sie Paletten mit gleicher Zielrichtung bündelt. «Wir haben Savanna® so programmiert, dass es die Strecken des Quertransportwagens hochgradig effizient einsetzt», sagt Softwareentwickler Stephan Kleine Hörstkamp. «Weil jeder Kundenbedarf individuell ist, passen wir die Savanna®-Basis punktgenau an.» Die gesamte Hardware für die Warehouse Management Software und Kommissioniersteuerung lieferte Westfalia über seinen Firmenverbund gleich mit.

Im Lager selbst stehen sechs Lagerblöcke bereit. Die drei Regalbediengeräte mit Ketten-Satellit lagern hier stellenweise mit einer Einlagerungstiefe von bis zu 5 Paletten pro Regalkanal ein und aus, möglich wären dort 10 Paletten – ein entscheidender Vorteil gegenüber Standard-Regalfahrzeugen mit einer Einlagerungstiefe von zwei Paletten und ideal bei sortenreinen Kanälen. Die Satelliten-Kanalfahrzeuge bewegen sich in den Regalfächern in speziellen Satelliten-Schienen.

Mehrfachtief im Satellitenlager.

Sie können sich darin besonders weit vom Regalbediengerät entfernen und erhöhen damit die Einlagerungstiefe enorm. Auf den Schienen lagern Paletten stabiler und schonender zugunsten der Anlagenverfügbarkeit – optimal bei hohen Artikelmengen und Lasten. Hinzu kommt bei Locher aber das aussergewöhnlich vielfältige Sortiment – in dieser Kombination eine Herausforderung für Planer und Softwareentwickler. «Wir mussten fehlerfrei einen hochkomplexen Materialfluss auf engstem Raum abbilden, dessen zentraler Nerv der Quertransportwagen zwischen den Abfülllinien ist. Er darf nicht stillstehen», erläutert Softwareentwicklerin Kerstin Dollerschell. Das einzigartige wie kompakte Lagerlayout vereint nun die mehrfachtiefe Lagerung mit dem zeitgleichen Handling von Leergut, Abfülllinien eines breiten Sortiments, Handelsware sowie deren nahezu vollautomatischen Kommissionierung.

Häufig benötigte, von Kunden bestellte Vollgutpaletten reserviert die Warehouse Management Software schon im Lager für die Versandzone, andere verfügbare Vollgutpaletten gelangen bei Bedarf über Förderstrecken und Senkrechtförderer zur Kommissionierzone im 1. Obergeschoss. Ein Quertransportwagen nimmt dort die Paletten auf und verteilt sie auf 42 Kommissionierbahnen mit jeweils zwei Palettenplätzen. Leere Plätze füllt Savanna.NET selbstständig nach einer eigenständigen Kontrollfahrt auf. Hubwagen samt Terminal stehen den Bedienern zur Verfügung, um auf der Kommissionierebene Paletten neu zusammenzustellen.

Kommissionierung am Touchscreen.

Die «Mann-zu-Ware»-Kommissionierung spart Zeit, Strecken und entlastet das Personal. «Ist die Ware kommissioniert, gelangt sie vollautomatisch über die Fördertechnik ins Hochregallager und wird ausgelagert, sobald der Auftrag erteilt wird. Oder auch sofort in die Versandzone, wenn es zeitkritisch ist», beschreibt Softwareentwickler Kleine Hörstkamp die Software-Leistung. In der Versandzone versorgen ein Quertransportwagen und zehn Gefällerollenbahnen für 170 Paletten die fünf LKW-Terminals. «Bis auf die Kommission der Mischpaletten hat Westfalia die gesamte Intralogistik von der manuellen Palettenaufgabe bis zur Bereitstellung für die LKW-Verladung automatisiert», verdeutlicht René Giger.

«Zum einen haben wir mit der Automatisierung das Ziel, die Durchlaufzeit in der Flaschenabfüllung zu reduzieren, um die wöchentliche Abfüllkapazität zu erhöhen», erklärt Sepp Koch von der Brauerei Locher AG, der dort Ansprechperson für Projekte ist. «Zum anderen können wir aber auch Unfallrisiken für Mitarbeiter vermindern, da der Stapler- und Ameisenverkehr durch die Fördertechnik reduziert wurde. Mit der Inbetriebnahme von Savanna.NET® in der Kommissionierung konnten wir wegkommen von den Papierkommissionierscheinen. Wir arbeiten jetzt alle Aufträge an den mobilen Kommissionier-Terminals ab. Dieses Vorgehen hat den administrativen Aufwand gesenkt und reduziert Fehler beim Kommissionieren. Nebenbei wird dadurch auch der Verbrauch von Papier gesenkt. Die Zusammenarbeit mit Westfalia war stets gut», zeigt Sepp Koch sich zufrieden. «Von Vorteil war, dass wir immer die gleichen Ansprechpersonen hatten. So konnten mechanische wie auch technische Probleme schnell gelöst werden.»

www.westfaliaeurope.com