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Ist «KI» für die Transportbranche wichtiger als Robotik und Automation, das Internet der Dinge oder selbstfahrende Flurförderzeuge? Ein Streit darüber wäre müssig, da alles gleichzeitig stattfinden soll. Das könnte das Ergebnis einer Online-Talkrunde mit dem SBB-IT-Spezialisten Dirk Abels und dem Google-Experten Alex Erfurt sein.

Denn das Zeitalter der Digitalisierung und per raffinierter Algorithmen immer mehr Daten und Informationen miteinander verknüpfenden Prozessoren ist längst im Gange. Zudem kommt durch den verkehrsmässig bedingten Druck auf die Logistik-Branche, ihren ökologischen Fussabdruck und künftige CO2-Berechnungen in ihre Preis-Kalkulationen mit einzubeziehen, eine regelrechte Lawine zu. Eine, die aufgrund der Menge an Daten wohl in der Tat nur mit Unterstützung durch intelligente und selbstlernende Systeme zu bewältigen sein könnte. Sonst dürfte das alles schon bald nicht mehr zu schaffen sein.

Ein weites Feld also für die beiden IT-Kenner, die auf Einladung der Technologie-Beratung Eraneos zur Talkrunde stiessen. Eraneos katapultierte allein in 2021 die Zahl ihrer Mitarbeitenden in der Schweiz von 400 auf 500, und zügelt dieser Tage von der Leutschenbachstrasse in Oerlikon ins Zentrum der Zürcher City. Als IT-Berater hatte Christian Mauz Gelegenheit, mit Unterstützung der unter anderem auch stark beim Schweizerischen Verband für Temperaturgeführte Logistik (SVTL) engagierten AWK die Talk-Runde zu moderieren.

A.Erfurt, D.Abels

So sind die Schweizerischen Bundesbahnen SBB schon seit Längerem mit selbstlernenden System zugange, die bei Fahrplan-Störungen und Behinderungen auf dem Gleisnetz eigenständig Vorschläge unterbreiten, wie Züge im Fall von Verzögerungen, Gleis-Blockierungen umfahren, Zeitphasen mit weniger Auslastung besser nutzen und die Anhäufung von nachfolgenden Störungen vermeiden können. Assistenzroboter im «Chat»-Modus gehen hier in Diskussion mit dem Anwender in der Zugleitzentrale, der schlussendlich aber immer noch Sinn und Zweck der Massnahmen im Auge zu behalten und letztlich zu entscheiden hat. SBB-Experte Dirk Abels: «Aber den Menschen wird man nie ganz ersetzen können». Trotzdem sei die Entlastung des Leitstellen-Personals durch Auslagerung bestimmter Aufgaben an den Computer absolut sinnvoll. Zudem gibt es verschiedene Arten von Störungen, die in der «Hardware», etwa einer Signalstörung, oder auch in der Fahrplan-Organisation, also sozusagen «immanent» liegen können.

Abels zeigt sich andererseits auch oft erstaunt, mit welch komplexen Vorgängen sich die Bahn-Mitarbeitenden vor Ort oft zu befassen und schnell Dinge zu entscheiden haben, die sie nur aus langjähriger Erfahrung heraus im Griff haben können. «Die Leute machen das, was zu tun ist, oft automatisch, und können das hinterher in der Abfolge gar nicht mehr so genau erklären». Diese Entscheidungs-Kompetenz in «intelligenten» Systemen abzubilden und gleichzeitig auf korrekten Grundlagen basieren zu lassen, bedinge eine enorme Menge an Daten und Informationen, die wiederum in sich stimmig und nachprüfbar sein müssen. Moderator Christian Mauz zitiert hier gern Stephen Hawking, der noch zu Lebzeiten vor einer Super-KI warnte. Das nämlich sei «entweder das Beste oder das Schlimmste, was der Menschheit zustossen könnte». Was etwas sybillinisch aber auch mit einem Spruch des bayerischen Komikers Karl Valentin zu verwechseln sein könnte: «Nix Genaues weiss man halt auch nicht».

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Nichts Genaues wollte indessen auch Alex Erfurt, Machine-Learning-Spezialist bei Google, noch nicht preisgeben. Sein Konzern stecke jedenfalls Unsummen in die Forschung nach neuen Anwendungs-Möglichkeiten. Er berate auch Kunden, die auf Google zukämen und nach digitalen Lösungen für Firmen-Anwendungen und Neugründungen suchten. Google habe seinerzeit mit diesen lernenden Algorithmen, blossen Ergänzungen von unvollständig eingegebenen Sätzen oder wiederkehrenden Sequenzen angefangen. Aber mit der Zeit sei «viel mehr daraus geworden». Vieles sei noch gar nicht publiziert. Und Google musste schliesslich auch Lehrgeld zahlen, ergänzt der Moderator. Mauz: «Da gab es ja auch diesen Fall, in dem plötzlich rassistische Äusserungen auftauchten». Danach wurde die betreffende «Maschine» schnell wieder vom Netz genommen, bestätigt Google-Experte Erfurt.

Für Abels, der schon etliche Jahre in der IT der SBB hinter sich hat, bleibt es dabei: «Es kostet immens viel Energie, um zu annehmbaren Ergebnissen zu kommen. Der Mensch kann viele Dinge auch wesentlich schneller eigenhändig machen, ohne einen Datenspeicher zu Rate ziehen zu müssen».

Immerhin setzt die SBB inzwischen Künstliche Intelligenz ein, um mithilfe von Siemens und einer ETH-Ausgründung namens Lattice Flow ihre 7500 km an Gleisen und 300 Tunnel in einem der dichtesten Eisenbahnnetze der Welt im Auge zu behalten. Der reale Zustand der Gleise wird durch Sichtprüfung per Kameras und beschleunigte Bildauswertung erleichtert.

In von der SBB genutzten Fahrplan-Simulationen können Computer-Programm nicht nur 365 Tage eines Jahres probeweise «durchfahren», sondern binnen kurzer Zeit Millionen von Möglichkeiten einspielen. Die Software «lernt» dabei, mit Verspätungen, kaputten Weichen oder blockierten Strecken umzugehen, und «mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit» die jeweils beste Lösung zu finden. Den Mitarbeitenden vor Ort, der das Ergebnis letztlich zu bewerten hat, wird so schnell allerdings niemand ersetzen. Denn er muss die Verantwortung tragen.

Der Energieverbrauch solcher Rechnerleistungen werde in Zukunft noch sehr «intensiv» werden, sagt Erfurt voraus. «Das kann in die Gigawattstunden gehen». Machine Learning und Trainingsvorgänge können aber auch kanalisiert und bis auf ein Hundertstel heute einzukalkulierender Stromverbräuche gesenkt werden. 


Wie internationale Supply-Chain-Beobachter mit der Komplexität von Clouds umgehen: 

 

 

Klaus Koch

www.awk.ch

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