Laut SBB wird die Weströhre des Gotthard-Basistunnels ab 2. September wieder vollständig nutzbar sein. Dieser Tage sind Testbetrieb und Probeläufe angesagt. Die SBB geht von 150 Mio. Franken an Schäden durch die Entgleisung des Güterzugs am 10. August 2023 aus. Davon seien rund 140 Mio. versichert.
Im Testbetrieb werden unter anderem Fahrten mit leeren Zügen durchgeführt, um die neuen Anlagen, insbesondere die Fahrbahn, zu testen und das Zusammenspiel aller Systeme zu prüfen. Im Rahmen des Probebetriebs ab Mitte August verkehren fahrplanmässige Züge von Süden nach Norden wieder durch die Weströhre.
Im Hinblick auf die geplante Wiederinbetriebnahme will die SBB dem Bundesamt für Verkehr (BAV) eine umfassende Dokumentation zu den durchgeführten Arbeiten sowie die erforderlichen Sicherheitsnachweise einreichen.
Die SBB hat die unfallbedingte (Teil-)sperre der Weströhre nach der Entgleisung genutzt, um zahlreiche bereits vorher geplante Unterhaltsarbeiten vorzuziehen. Unabhängig von der Entgleisung im vergangenen August sind schon seit Längerem Planungen für regelmässige mehrtägige Unterhaltsfenster im Gang. Während diesen wird es auch zu Umleitungen über die Panoramastrecke und somit zu längeren Fahrzeiten kommen.
Der Abschlussbericht zur Unfallursache der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) steht noch aus. In einem Zwischenbericht hat die SUST festgehalten, dass ein Radscheibenbruch zur Entgleisung führte. Die SBB selbst besitzt im Güter- und Personenverkehr keine Wagen mit solchen Radsätzen, jedoch sind solche bei anderen europäischen Wagenhaltern des Güterverkehrs im Einsatz und verkehren auch in der Schweiz.
Aufgrund des internationalen Einsatzes des betroffenen Radtyps braucht es Massnahmen auf europäischer Ebene, hat die SUST in einem Zwischenbericht festgehalten. Nach dem Erscheinen des Zwischenberichts der SUST hat das BAV über die europäischen Eisenbahnbehörden einen Aufruf lanciert. Damit hat es alle Wagenhalter in Europa, die Güterwagen mit ähnlichen Rädern aufweisen, aufgefordert, diese zu prüfen und nötigenfalls ausser Betrieb zu nehmen.
Die SBB hat den Unfall intern ebenfalls analysiert, um ähnliche Ereignisse künftig verhindern bzw. deren Auswirkungen so stark wie möglich einschränken zu können. Dazu gehören die frühzeitige Erkennung von notwendigen Instandhaltungsmassnahmen an Zügen mittels Zustands- und Bilddaten sowie der vermehrte Einsatz von Zugkontrolleinrichtungen. Um etwaige Entgleisungen frühzeitig zu erkennen, prüft die SBB, bei den Spurwechseln im und vor dem Gotthard-Basistunnel streckenseitige Entgleisungs-Detektoren zu installieren.
Fotos: SBB
Aufgrund der nötigen Zeit für die Planung und Installation solcher Anlagen sowie der komplexen Einbindung in die bestehenden Systeme geht die SBB davon aus, dass die erwähnten Massnahmen nicht sofort, aber mittelfristig umgesetzt werden können.
Als zusätzliche unmittelbar umsetzbare Massnahme wird die Geschwindigkeit im Bereich der beiden Portal-Spurwechsel vor dem Gotthard-Basistunnel ab der vollständigen Wiederinbetriebnahme temporär auf 160 km/h reduziert. Die Geschwindigkeitsreduktion habe keinen Einfluss für Anschlüsse im Tessin und in der Deutschschweiz, führe allerdings trotzdem zu weniger Fahrzeitreserven.
- Details
- Geschrieben von: Klaus Koch