«Dragon» soll den Weg bereiten.
Ist das wichtig, oder kann das weg? Die berühmte Frage einer Reinigungskraft, die 1986 im Atelier des Künstlers Joseph Beuys nicht wusste, ob eine Fettecke auf einem Stuhl lediglich «Schmutz» oder Millionen wert sei, liesse sich auch auf die Blockchain anwenden. Wurde auf dem Zukunftskongress aber entkräftet.
Michael Henke, auf Institutsebene einer der drei Leiter des Fraunhofer-IML, sah anlässlich des Zukunftskongresses einerseits die Gelegenheit, ein wenig provokativ sein eigenes Tätigkeitsfeld in Frage zu stellen. Andererseits dürfte die Blockchain in kommenden Jahren als Informations-, Dokumenten- und Verortungsbündel für weltweite Warenbewegungen beinahe zwangsläufig an Bedeutung gewinnen. Henke: «Die Blockchain wird Teil der Silicon Economy sein».
Michael Henke kämpft gegen Missverständnisse.
Als exemplarisch wurden anlässlich der Tagung in Dortmund Gefahrgut-Management und Zollabwicklung genannt. Für jede Ware werde es in Zukunft eine digitale Mappe geben, die Dokumente, Unternehmenswert und Zustandsinformation beinhalte – und somit auch die Zettelwirtschaft ersetzen, die vielfach immer noch üblich sei. «Für zahllose Logistik-Mitarbeitende vor Ort eine grosse Erleichterung», wie auch Viola Meisterling vom Pharmahersteller Boehringer Ingelheim meint.
Einer der Fallstricke, mit denen die Blockchain stets von Neuem zu kämpfen hat, ist die Verwechslung mit Bitcoin. Andre Kranke, Entwicklungs-Chef beim Logistik-Dienstleister Dachser, sieht trotz mancher Ähnlichkeit in Bezug auf das Erscheinungsbild im virtuellen Raum Korrekturbedarf. «Blockchain ist nicht Bitcoin – und keine Kryptowährung». Bei der Blockchain gehe es um Werteaustausch, Vertragserfüllung, Warenzustand und Identifizierung anhand digital angefügter Dokumente.
Fotos: IML / klk.
Birgit Fassbender, stellvertretende Leiterin des Referats Güterverkehr und Logistik im deutschen Verkehrsministerium, leistet Schützenhilfe, möchte sich allerdings noch nicht definitiv äussern. Das Wertschöpfungs-Potential liege sicherlich im Milliardenbereich, müsse aber auch von der Wirtschaft wahrgenommen werden. Meisterling: «Natürlich werden auch heute schon Dokumente und Informationen ausgetauscht. Aber mit einer auf breiterer Ebene umgesetzten Blockchain geschähe das dann kompakt und im Zusammenhang».
Michael Henke glaubt nicht, dass ein zuverlässiges Internet der Dinge ohne Blockchain überhaupt möglich wäre. «Da ist alles drin, worüber wir in den zurückliegenden Jahren geredet haben: Rückverfolgbarkeit, Identifizierung …».
Als «Blockchain Device» kommt jetzt ein am Fraunhofer-IML entwickelter Prototyp ins Spiel, der auf «Dragon» (Device for reliable dangerous goods transport) getauft wurde und speziell für´s Gefahrgut-Management gedacht ist – angesichts des steigenden Gefahrgutaufkommens auf den Strassen eine «zwingend notwendige Entwicklung», wie es heisst. Das liege vor allem an immer mehr akkubetriebenen Haushaltsgeräten sowie dem steigenden Anteil an Elektrofahrzeugen in Deutschland. Die bei jedem anfallenden Transport aufkommenden Begleitdokumente lägen bislang meist nicht digital vor – «und werden schon gar nicht manipulations- und rechtssicher abgespeichert».
Viola Meisterling
Gerade bei einem stark rechtlich geprägten Thema wie dem Gefahrguttransport, bei dem vom Absender über den Verlader und Beförderer bis zum Empfänger zahlreiche Akteure beteiligt seien, so Henke, berge die Technologie grosses Potenzial.
Mit Dragon sollen künftig relevante Begleitdokumente aus der Blockchain abgerufen, Ereignisse kontinuierlich getrackt und sogenannte Smart Contracts ausgelöst werden. Dadurch lassen sich wiederkehrende Prozesse der Gefahrgutabwicklung automatisieren und rechtssicher speichern. Das Device begleiten soll zudem ein elektronisches Beförderungspapier, das den Informationsaustausch zwischen den Prozessbeteiligten vereinfachen soll, manipulationssicher sei und immer den aktuellsten Informationsstand enthalte. Eine Möglichkeit zur Verwaltung der digitalen Papiere werde aktuell in einem Teilprojekt »Dangerous« vom Europäischen Blockchain-Institut entwickelt und Open Source zur Verfügung gestellt.
Noch nicht wirklich entschieden: Birgit Fassbender
Bereits im Oktober 2020 hatte das Fraunhofer IML den ersten Prototyp eines Blockchain Device als erste von mehreren Blockchain-basierten Geräteentwicklungen vorgestellt. Das Projekt des Europäischen Blockchain-Instituts ist eng verzahnt mit dem Vorhaben der »Silicon Economy«, das durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert wird.
www.iml.fraunhofer.de
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- Geschrieben von: Klaus Koch