Die fleischlose Produktion von Nahrungsmitteln kann überraschend energieintensiv sein, die Logistik manchmal sogar nur ein Prozent des Gesamtaufwands ausmachen. Der Themen-Fokustag von SVTL und GS1 warf teils unerwartete Fragen auf, erwies sich aber weiterhin als zielführend.

Über 60 Teilnehmer verzeichnete die gemeinsame Veranstaltung des Schweizerischen Verbandes für Temperaturgeführte Logistik mit den Transport- und Normierungs-Spezialisten von GS1 im «Tanzwerk» in Zürich. Unter unterschiedlichen Aspekten wurden die getrennten Wege beleuchtet, die gekühlte Transporte einerseits im Lebensmittelbereich und anderseits im Pharmasektor gehen; ob die urbane Logistik angesichts der Probleme, in der die weltweiten Lieferketten momentan stecken, der Vermarktung regionaler Produkte neuen Aufschub verleihen. Ob es Sinn macht, Online bestellte Lieferungen auf zehn Minuten zu beschleunigen, welche Stellschrauben zur Verfügung stehen, um im Sinne der Schonung wertvoller Ressourcen weniger Emissionen zu verursachen, ob die vielzitierte Digitalisierung tatsächlich für sprunghafte Innovations-Schübe sorgt, und warum die meisten Online-Shops bislang eigentlich nur rote Zahlen schreiben.

Christine Schäfer vom der Migros nahestehenden Gottlieb-Duttweiler-Institut erläuterte, dass sich im Konsum-Verhalten des Verbrauchers inzwischen doch einiges geändert habe – und dies mit entsprechenden Folgen für Logistik und Distribution auch in Zukunft weiterhin der Fall sein werde. Denn der Klimawandel werde auch in der Lebensmittel-Produktion für einen deutlichen Fussabdruck sorgen. Temperatur-Änderungen und sturzflutartige Regenfälle hätten bereits deutliche Spuren hinterlassen. In Spanien angebauter Wein sei aufgrund der hohen Sonnenschein-Dauer plötzlich extrem süss, in Skandinavien hingegen gedeihe in jüngerer Zeit ein ganz guter Riesling.

 

In der Nahrungsmittel-Herstellung sei eine «Protein-Wende» im Gange, die auf das Töten von Tieren verzichte, und stattdessen vegane Produkte und neue Methoden bis hin zum «Vertikal Farming» und die pflanzenbasierte Bereitstellung für den menschlichen Organismus wichtiger Inhaltsstoffe propagiere. Das reiche womöglich hin bis zur KI-gestützten «Menü-Planungssystem», das dem Verbraucher anhand einer Analyse seiner verdauungsbedingten «Hinterlassenschaften» Ratschläge erteile, welche Zusatzstoffe noch einzunehmen seien, um den gesundheitlichen «status quo» zu verbessern.

Keine grenzenlose Begeisterng erzeugt dies bei GS1-Mitveranstalter Jan Eberle, der auf «immer künstlichere» Nahrungsmittel verweist. Aber immerhin: Die pflanzlichen «plant based» Proteine seien solche, die in der Natur bereits vorkommen.

Völlig ohne Wasser und zusätzliche Energieaufwände kommen auch neue Produktions-Methoden nicht aus. Und wie sich später anhand eines Berichts über die Züger Frischkäse-Produktion herausstellt, macht die Logistik auch dann, wenn sie temperaturgeführt ist, samt der Lagerhaltung oft nur einen Bruchteil der Gesamt-Bereitstellungs-Kosten und mit Emissionen verbundenen Aufwände aus.

Warum Food- und Pharmabereich bislang weitgehend getrennte Wege gehen, wenn es doch bei Beiden um die Einhaltung vorgegebener Temperatur-Grenzwerte gehe, setzte Oliver Schwarz vom Distributions-Spezialisten Voigt Industrie Service auseinander. Die Gründe seien in stark unterschiedlichen Regelwerken zu suchen, die einerseits für Medikamente sehr streng seien. Die jedoch wiederum seien oft wesentlich toleranter gegenüber Temperaturschwankungen, als eine Vielzahl von Lebensmitteln, wie etwa die bekannte Empfindlichkeit der Banane beweise. Eine passive Kühlung reiche oft aus, während manche Anbieter aus Sicherheitsgründen mittlerweile sogar die aktive Temperierung in Kühlfahrzeugen unter gleichzeitiger Nutzung von wärmegeschützen Mehrwegbehältern praktizieren. Das wiederum sei natürlich auch eine Frage des Preises.

Eine grosse Zahl von Normen und gesetzlichen Vorgaben, so Schwarz, verursache teils immer höhere Kosten, während der oft doch stärker gefragte «XMV» («Der xsunde Menschenverstand») ins Hintertreffen gerate. Ein Vorstoss von SVTL-Geschäftsführer Georg Burkhardt, ob denn angesichts gleichermassen genutzter Temperaturtechniken nicht auch gemeinsame Transportfahrzeuge eingesetzt werden könnten, um Wege und Frachtkapazitäten zu kombinieren, wurde durch den Hinweis auf unterschiedliche Handhabungen, Vermarktungswege und -strategien ein wenig gebremst.

Start-ups sind in der Schweiz immer noch rar, meint Professor Jörg Grimm, der an der Berner Fachhochschule im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen lehrt. Nach einem Überblick über bislang vorhandene Newcomer-Initiativen erklärt er dem Fachpublikum, dass er gern zur Verfügung steht, um Verbindungen zu knüpfen und Fördermöglichkeiten für junge Leute auszukundschaften.

Zu den jüngeren Unternehmungen gehört auch der Schnellkurierdienst «Stash» mit Lieferungen innerhalb von zehn Minuten, und nur 90 Sekunden für den Velo-Pilot, um nach dem Eingang der Bestellung mit dem gewünschten Artikel zum Kunden am Abgabeort loszussprinten. Auf der Bühne macht Miteigentümer und CEO Benno Burkhardt leider ein noch nicht getätigtes Update auf der App seines Smartphones zu schaffen, sodass – andererseits ebenfalls sehr aufschlussreich – der Bestellvorgang «online» am Ende mehr Zeit kostet, als es bis zum Eintreffen der Ware am Tagungsort braucht. Bei den wenigen Minuten, die bis zur Ablieferung der Ware vergehen, stellt praktischerweise auch die Einhaltung der Temperatur beim Transport nicht das grosse Problem dar.

Dass die urbane Logistik mittlerweile auch erfolgreich bei regionalen Lebensmittel-Produzenten und Landwirten andockt, illustrieren Emilija Damjanovic im Namen der hier inzwischen modellhaft eingestiegenen Schweizerischen Post, wie auch Felicia Schäfer von einem genossenschaftlich organisierten Lebensmittel-Netzwerk in Basel. Als «brutal lokal» kennzeichnet Schäfer ihr Non-Profit-Netzwerk, mit dem ein Umkreis von 30 km abgedeckt wird, und das sich noch im Auf- und Ausbau befindet.

Fotos: klk.

Bereits ein bekanntes Gesicht ist Maike Scherrer von der ZHAW, die - gefolgt von Peter Kuhn, dem Nachhaltigkeits-Beauftragten beim Züger Frischkäse - anhand der Energie-Verbrauchsdaten des Unternehmens bestätigt sieht, dass die Logistik oft nur für einen Bruchteil des CO2-Fussabdrucks verantwortlich ist. Grund genug für den Frischkäse-Hersteller, durch Wärmerückgewinnung, Solarenergie mit 1567 Modulen und weitere Massnahmen möglichst viel Energie im eigenen Haus zu erzeugen.

Eine Vermutung von Maike Scherrer, was künftige Transportformen in der City-Logistik betrifft: Es werde nicht nur eine einzige Lösung für nachhaltige Liefer-Alternativen geben, ein Paketbox-Modell von der Post, Velokuriere, die manchmal nur mit sieben Einzelfahrten das Volumen bewältigen können, das ein einzelner Kleinlieferwagen mit einer gut geplanten Tour schafft, Milch- oder die bereits bekannten Brotboxen, sondern wahrscheinlich in Zukunft auch mehr gemischte Zustellvarianten.

Georg Burkhardt: «Also die Lieferketten werden komplexer und variabler – aber dafür vermutlich auch teurer». Denn für sauber durchdachte Lösungen dann auch den Preis zu zahlen, der dafür nun mal erforderlich sei, dazu seien viele Kunden eben (noch) nicht bereit. Andrea Krapf von der Migros Genossenschaft Zürich verweist in einer abschliessenden Podiumsdiskussion darauf, dass ihr überhaupt noch keine Online-Shopping-Variante bekannt sei, die rentabel arbeite. «Wir haben noch vieles, was wir ausprobieren müssen».

Autor: Klaus Koch

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