Es ging sozusagen «um´s Ganze», als die IFOY-Organisation in den zurückliegenden Corona-Jahren vor dem Problem stand, wie das Intralogistik-Testcamp, das auf Präsenz vor Ort angewiesen ist, trotzdem noch irgendwie stattfinden könnte. Aus der Not entstand ein neues Format - ein regelrechter Geheim-Tipp.

Natürlich dreht sich auch beim diesjährigen Testcamp am 29. und 30. März alles ums selber Testen, Ausprobieren, Fahren und live erleben. Auf 10.000 Quadratmetern Hallenfläche stehen laut Veranstalter wieder bis zu 100 ausgewählte Innovationen und neue Produkte aus zehn Ländern zum Selbsttest bereit. «Nein, eine Messe im klassischen Sinn ist es nicht» («Don´t call it Messe») sagen die Macher. Anita Würmser, Geschäftsführende Gesellschafterin und Juryvorsitzende, über den etwas anderen Weg, der hier eingeschlagen wurde.

Frage: Frau Würmser, «Abgesagt» war das Wort der Jahre 2020, 2021 und auch noch zu Beginn des Jahres 2022. Das Testcamp hat trotzdem dreimal stattgefunden. Wie etabliert man mitten im Lockdown eine Präsenzmesse mit fast 1000 Teilnehmenden?

Würmser: Das bin ich unzählige Male gefragt worden. Wir haben es einfach gemacht. Auf eine Formel  gebracht, waren es 200% Arbeit, 100% Mut, 0% Planungssicherheit. Die Behören waren hart, aber hilfsbereit, die Auflagen gigantisch, ganz zu schweigen vom Risiko. Entscheidend war am Ende der Mut aller Beteiligten. Gäste, Aussteller, Tester, Team, Juroren - sie alle sind gekommen, um Innovationen auszuprobieren und das Business am Laufen zu halten. Und alle haben sich akkurat an die Regeln gehalten. Es war allerdings schon etwas unheimlich, als wir 2021 mitten im Lockdown mit 650 Menschen ganz allein im Hotel und auf dem Messegelände unterwegs waren.

A.Würmser

 Wie war die Resonanz?

Die Resonanz war überraschend positiv. Teilweise wurden wir sogar angefeuert und die Berichterstattung in den Medien ist explodiert. 960 Medien in 79 Ländern haben über uns berichtet. Nur eine Privatperson wollte das Testcamp verbieten lassen, was uns aber sogar geholfen hat.

 Wieso das?

Weil das der Grund dafür war, dass unser Corona- und unser Sicherheitskonzept besonders genau geprüft und am Ende als vorbildlich eingestuft wurde. Zugute kam uns dabei sicher auch, dass bei unserem Konzept der Zugang für Aussteller und Besucher sowieso limitiert ist. Das Testcamp ist schliesslich keine Messe, sondern ein Testevent der Branche mit limitiertem Zugang. Deshalb: Don´t call it Messe.

Warum sagt Ihr «Don´t call it Messe»?

Das Testcamp ist ein neues Eventformat, eine Erlebnisevent für ausgewählte Innovationen für Entscheider. Eine Messe ist auf Masse ausgelegt, was ich keineswegs negativ meine. Das Ziel sind volle Hallen und Gänge und ein möglich breites Ausstellerangebot. Wir werden dagegen nervös, wenn die Flure und Stände voll sind, weil sich Schlangen an den Teststationen und Boxen bilden und das Testing nicht mehr funktioniert. Auf einer Messe kann jeder ausstellen, bei uns wird vorausgewählt. Bei einer Messe muss man sich selbst orientieren, beim Testcamp führen wir die Besucher in Highlight-Touren durch die Halle.

Nicht jeder kann ausstellen, nicht jeder kommt rein? Wie trifft man die Auswahl?

Neben einem begrenztem Kartenkontingent laden wir und unsere die Aussteller Top-Level B2B- Gäste mit einem konkreten Innovations- und Investitionsinteresse zum Hands-on-Testing ein. Zielgruppe sind Entscheider, die die besten Innovationen nicht nur anschauen, sondern live erleben, selber testen, fahren, ausprobieren wollen. Solche, die wissen wollen, was kommt. Wir achten dabei auf einen interessanten Mix und Match. Zum einen sind mit den Finalisten schon die besten Innovation des Jahres vertreten. Wir achten darauf, dass nur neue und innovative Produkte gezeigt werden und zusätzlich recherchieren wir und sprechen weltweit die Unternehmen an, die Innovationen und neue Produkte zu bieten haben.

Also ist das Testcamp aus dem IFOY AWARD entstanden?

Richtig, aber das Testcamp ist heute eine eigenständige Veranstaltung. Das IFOY Audit der Finalisten, die so genannten Testtage, finden nach wie vor im Rahmen des Testcamps statt. Zu den Testtagen hatten lange Zeit nur Finalisten, Juroren, Tester und IFOY Partner Zutritt, alles in allem nicht mehr als 150 Personen. Während der Testtage 2017/18 haben einige Juroren Kontakte aus ihrer Leserschaft eingeladen (die IFOY Jury besteht aus Chefredakteuren führender Logistikmagazine weltweit). Ein paar Logistikdienstleister waren dabei, ein Automobilzulieferer und ein -hersteller, ein Baumarktleiter, ein Möbelhändler aus der Region, und alle waren begeistert von der Möglichkeit die IFOY Finalisten selber zu testen. Warum also nicht eine limitierte Zahl an B2B-Gästen zulassen? Anfang 2020 haben wir dann als Testlauf 50 Gäste eingeladen und 2022 waren es schon fast 1000 Teilnehmer.

1000 Teilnehmer klingt nicht nach einer überbordend grossen Zahl.

Ich halte 1000 an zwei Tagen für die optimale Grösse, mehr könnten die Aussteller gar nicht schaffen und es kommt immer darauf an, wer es ist. Unsere Besucher entscheiden bis in den dreistelligen Millionenbereich. Sie wollen Innovationen in konzentrierter Form sehen, sich einen effektiven und effizienten Überblick über den Stand der Technologien verschaffen. Entsprechend lange und intensiv beschäftigen sie sich mit den Exponaten. Manchen schmeissen sich unters Gerät, damit ihnen kein Detail verborgen bleibt. Wenn man als Aussteller nur viele Leads sammeln will, dann ist man aber beim Testcamp definitiv falsch.

Fotos: IFOY

Die stärkste Gruppe sind Logistikdienstleister, vor allem Kontraktlogistiker. Nahezu vollständig vertreten sind auch die Automobil-OEMs. E-Commerce und stationärer Handel, aber auch die Konsumgüter- und Getränkeindustrie, Maschinenbau, Chemie und Pharma sind gut vertreten. In diesem Jahr erwarten wir auch zahlreiche Arbeitnehmervertreter, was an unserem Sondertestbereich Exoskelette und Ergonomie liegt.

Das Interview führte Melanie Wack

Das Video der Award-Verleihung 2022

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