Abb.: MIT MediaLab

Unter Schwerelosigkeit ergeben sich neue Möglichkeiten für selbststeuernde Systeme. Junge Forscher am Massachusetts Institute of Technology und vom Fraunhofer IML haben sich zu einer Initiative zusammen gefunden, die neue Potenziale erschliesst – und erste Tests auf der ISS erfolgreich abgeschlossen hat.

«Die Logistik stand nicht im Vordergrund, als wir mit unserem Projekt begannen», sagt Ariel Ebklaw, Leiterin der «Space Exploration Initiative» am MediaLab des MIT, zum Auftakt. «Wir fanden uns hier bereits vor einiger Zeit zu einer Art `StarTrek-Akademie´ zusammen, wie sie aus einer Science Fiction-Serie bekannt ist», erläutert sie in der Videokonferenz. So, wie sie es auch schon gegenüber dem US-Nachrichtensender CNN und auf etlichen Kongressen getan hat.

Fotos: IML / MIT / LogisticsInnovation.org

Wie das so oft ist: Aus Phantasie wird schneller als gedacht Realität; und aus Spass wurde Ernst. Ebklaw konzentrierte sich auf Weltraum-Habitate und -Architekturen, wie sie vielleicht irgendwann mal in ferner Zukunft für Städte im All, Mondsiedlungen oder Marskolonnien Gestalt annehmen könnten. Da schon kleinere Konstruktionen und zusätzliche Installationen wie etwa an der Internationalen Raumstation «Extravehicular Activities» (etwas lapidar «Weltraumspaziergänge» genannt) mit hohem Aufwand verbunden sind, ist die Handhabung durch Roboterarme und Krantechnik im Weltall aufgrund der Sicherungsmassnahmen für die Astronauten auch eine Zeitfrage.

Ein «Brainstorming» unter den jungen Wissenschaftlern zeitigte Anleihen bei der Schwarm-Technologie. Autonome Flugkörper werden – beispielsweise für Inventurzwecke – schon seit geraumer Zeit am Fraunhofer Insitut für Materialfluss und Logistik mithilfe «lernender» KI-Algorithmen auf ihre Aufgaben trainiert. Sie dürfen nicht miteinander kollidieren, müssen hundertprozentig ihre Zieladresse finden, Arbeit erledigen, Ware identifizieren und das Erfasste dokumentieren. Dazu bedarf es robuster Kommunikation (in diesem Fall einer Bluetooth-Verbindung) und Austauschprotokolle.

Projektpartner Aswin Ramachandran: «Logistik besteht ja zum grossen Teil aus Koordination und Kommunikation – das war also mein Part». Exaktheit, zeitliche Abstimmung und geringstmögliche, wenn nicht gar Null-Fehler-Toleranz sind das Metier der Branche. Kleine, aber gar nicht so unwillkommene Abweichung bei den Grundvoraussetzungen im All: «Wir haben im Gegensatz zu unserer Arbeit auf der Erde keine Gravitation. Da müssen wir also alles nochmal von Vorne denken». Allerdings wirken auch schon geringe Anziehungskräfte, etwa magnetischer Natur, auf Teile und Komponenten, die sich im Vakuum schwebend aufeinander auszurichten beginnen. Fünfeinhalb Stunden, das zeigten Simulationen, die anhand der ISS-Versuche skaliert wurden, bräuchten grössere Strukturen, um in einer Erdumlaufbahn, einem Mond- oder Mars-Orbit, hexa- oder pentagonale «Vielecke» zu bilden.

Abb.: TU Dortmund

Nach Corona soll es ins Autodesk BUILD Space, die Laborwerkstätten des MIT gehen, um grössere Strukturen zu produzieren, die dann erneut ins All geschickt werden sollen. Bei weiteren, geplanten Missionen sollen Kacheln und Steuerungs-Mechanismen in grösserem Massstab, die Reichweite der elektromagnetischen Impulse, die Energieversorgung aus Superkapazitoren und die Vakuumfestigkeit der Magnetverschlüsse getestet werden. Ebklaw: «Wesentlicher Teil unseres Projekts ist auch die Rechner-Simulation, um voraussagen zu können, wie die Teile sich verhalten, wenn sie 2 m gross sind und 100 kg oder 1 t wiegen».

Die TESSERAE-Initiative sucht weiterhin die Kooperation mit dem IML in Dortmund. «Wir würden aber auch gern in einen Dialog mit der Logistikbranche eintreten», so Ebklaw.

Ramachandran: «Sollten sich die Aktivitäten des Menschen im All weiter ausweiten und irgendwann auch in eine Besiedlung des Weltraums münden, wird die Logistik alle Hände voll zu tun haben, ihre Versorgung und neue Formen von Supply Chains sicherzustellen».

 

www.iml.fraunhofer.de

 

www.media.mit.edu

 

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