Take away: Beliebt wie nie. Foto: Cristiano Pinto/SVI  

Der direkte Kontakt von wiederverwertetem Material und Nahrungsmitteln ist faktisch verboten. Rund 100 Teilnehmer informierten sich an der virtuellen Jahrestagung des Schweizerischen Verpackungsinstituts SVI über die Möglichkeiten, die für Lebensmittelverpackungen in Zukunft noch bleiben.

«Verbraucher erwarten nachhaltige Verpackungen», schickt Salome Hofer, Leiterin Nachhaltigkeit und Wirtschaftspolitik bei Coop voraus. Nachhaltigkeit werde dabei oft mit «plastikfrei» gleichgesetzt. Weniger Verpackungsmüll oder gar Zero Waste stünden ebenfalls ganz oben auf der Wunschliste. Gleichzeitig steige die Nachfrage nach Convenience- und Take-Away-Angeboten seit Jahren.

Unverpackte Lebensmittel anzubieten sei für die grossen Detailhändler allerdings nur begrenzt erfüllbar. Eine Ausnahme bilde das Obst- und Gemüsesortiment, wo unverpackte Waren schon seit vielen Jahren üblich seien. Hofer: «In einigen Fällen gehen Wunsch und Realität auseinander: So können Kunden bei Coop mittlerweile ihre eigenen Behälter an der Frischetheke abgeben, um Käse, Wurst oder Fleisch einpacken zu lassen». Das Angebot werde aber nur wenig in Anspruch genommen. Insgesamt bemühe sich Coop deshalb um optimierte Verpackungen, die Material einsparen, kreislauffähig seien und gleichzeitig die Produktanforderungen erfüllen.

Laut Vincent Colard, Ökodesign-Ingenieur beim französischen Verband Citeo, würden rund 40% der Lebensmittel verderben bevor sie beim Endverbraucher ankommen, wenn es 2030 keine Verpackungen mehr gäbe. Ein Plastikverbot hält der Franzose nicht für sinnvoll, weil Kunststoff zu viele Vorteile bietet. Stattdessen plädierte Colard für den Ausbau der Sammel- und Sortiersysteme. Bereits ab dem Jahr 2025 sollen in Frankreich PET, PE, PP und PS in verschiedenen Verpackungsausführungen gesammelt und sortiert werden. Ein weiterer Ansatz liege im Ökodesign der Verpackungen. In die Entwicklung wiederverwertbarer Verpackungen müsse die gesamte Wertschöpfungskette einbezogen werden.

Fremdmaterial im PET-Container

 

In diese Richtung gehen auch die Vorstellungen der grünliberalen Nationalrätin Isabelle Chevalley, die für weniger Müllerverbrennung und mehr Recycling wirbt. Sie legte den Tagungsteilnehmern die Schwächen der Schweizer Abfallwirtschaft dar. Problematisch sei vor allem, dass die Kantone unabhängig voneinander agierten und nicht von Synergien profitierten. Stattdessen gebe es Überkapazitäten, die durch die Einfuhr von Müll aus dem benachbarten Ausland ausgeglichen werden müssen. Rund 20% Schlacke bleiben nach der Verbrennung übrig, die deponiert werden muss und die keiner mehr will. Bioabfälle und Plastik hätten in den Kehrrichtverbrennungsanlagen (KVA) nichts zu suchen. «Sie würden ja auch nicht auf die Idee kommen, Ihre Essensreste in den Kamin zu werfen», so Chevalley. Kunststoffe seien zu wertvoll, um sie zu verbrennen. Die Gemeinden sieht sie in der Pflicht, entsprechende Sammelstrukturen zu schaffen. Erforderliche Massnahmen seien eine bundesweite Koordinierung der Abfallwirtschaft, Anreize für innovative Verpackungen zu setzen und den internationalen Vorgaben zu folgen.

«Für mich als Chemiker ist es völlig unverständlich, wieso Kunststoffe so wenig geschätzt werden», sagt Stefan Pirker, der bei der OMV Refining & Marketing an Verfahren des chemischen Recyclings arbeitet. Es gebe Kreisläufe für Glas, Papier, Blech und Alu, wieso (abgesehen von PET) nicht auch für Kunststoffe? Mit Hilfe des chemischen Recyclings werden Kunststoffe wieder in ihre Bausteine zerlegt, es entstehen Polymere in reiner Qualität. Grundsätzlich können diese Polymere auch für Lebensmittelverpackungen wiedereingesetzt werden. Anders als beim mechanischen Recycling sei der Prozess endlos wiederholbar, erklärte Pirker. Das Verfahren sei energieeffizient und erfordere ähnliche Temperaturen wie beim Pizzabacken. Auch Materialverbunde können recycelt werden. Aktuell seien die Kosten hoch und das Verfahren nicht gleichermassen anerkannt wie das mechanische Recycling. Mittelfristig sieht Pirker darin aber eine sinnvolle Ergänzung: «Mit den entsprechenden Kreisläufen ist Kunststoff ein Rohstoff der Zukunft!».

Casper van den Dungen, General Manager der Poly Recycling AG, ist seit 30 Jahren im PET-Recycling aktiv. Er erklärte, dass eine Harmonisierung der Standards wichtig sei, wie sie beispielsweise durch RecyClass erfolge. Alle Akteure der Wertschöpfungskette würden so mit wichtigen Informationen versorgt, die bei der Herstellung und dem Recycling der Verpackung, wichtig seien. Standards seien zwar zunächst für PET entwickelt worden, könnten aber schrittweise auf alle weiteren Polymere übertragen werden. Auch die Verwendung digitaler Wasserzeichen, wie sie bei HolyGrail 2.0 zum Einsatz kommen, sowie künstliche Intelligenz, die die Sortierung der Materialien erleichtern und präzisieren sollen, böten vielversprechende Perspektiven für das Kunststoffrecycling. Van den Dungen zeigte sich zuversichtlich, dass bis im Jahr 2030 alle gesteckten Ziele der EU erreicht werden können.

«Auf welche Funktionen der Verpackung können wir verzichten?» ist für Thomas Galatik von Dow Chemical Europe die zentrale Frage. Denn nach diesen Anforderungen richtet sich schliesslich das gesamte Verpackungsdesign und lässt gegebenenfalls einen weniger komplexen Verpackungsaufbau zu. Eine Chance sieht Galatik in biobasierten Kunststoffen unter der Voraussetzung, dass dafür landwirtschaftliche Abfallprodukte verwendet werden, für deren Entsorgung Energie nötig sei.

Fotos: SVI

Langjährig eingesetzte Verpackungsmaterialien seien bekannt und gut untersucht, erklärt Thomas Gude, stellvertretender Leiter der Swiss Quality Testing Services, in einem Vortrag «Bioplastik: Nachhaltigkeit versus Sicherheit». Natürliche Materialien wie Bambus, die alternativ zu Kunststoff eingesetzt werden, enthielten Stoffe und Allergene, die unerwünschte Folgen für die Lebensmittelsicherheit bergen könnten. Das sei auch bei Monomaterialien der Fall, die keine ausreichende Barriere bieten. «Was nachhaltig ist, muss trotzdem sicher sein», gab der Lebensmittelchemiker zu bedenken.

Für eine sinnvolle Kombination der Verpackungsmaterialien plädierte auch Fulvio Cadonau, Manager Business Development von Smurfit Kappa. Letztendlich sei entscheidend, welche Barrieren für den optimalen Schutz des Packgutes erforderlich sind. Wo möglich, setzt Smurfit Kappa Monolayer-Lösungen ein, die im Altpapier entsorgt werden können. Aktivkohle wird als Barriere eingesetzt, um ungewünschte Substanzen wie MOSH, MOAH oder Bisphenol A herauszufiltern. Kunststoffen erteilte Cadonau keine Absage: wo nötig, werden sie eingesetzt, um einen idealen Produktschutz zu gewährleisten. Dies kann dann beispielsweise in Form eines Kunststoffbeutels in einem Karton sein, die leicht voneinander getrennt und entsorgt werden können.

Eric Pavone, Business Development Director, Bobst Mex SA, sprach über Trends bei nachhaltigen flexiblen Verpackungslösungen. Kunststoffe werden zunehmend durch Papier ersetzt und mit wasserbasierten Dispersionen von Polymeren ausgestattet. Neue Bio-Polymere seien ebenfalls für die Verwendung mit Papier im Test. RCF (Regenerated Cellulose Film) wird beispielsweise schon häufig für Kaffeebeutel und kompostierbare Folien angewandt, während PLA (Polymilchsäure) erste Anwendungen in kompostierbaren Lebensmittelschalen sowie flexiblen Verpackungen findet.

Bei der abschliessenden Diskussionsrunde, moderiert von Karola Krell, waren sich die Teilnehmer darüber einig, dass Standards für die Bewertung der Rezyklierbarkeit von Verpackungen erforderlich sind. Die Industrie investiere viel Geld in die Entwicklung neuer nachhaltiger Lösungen, mit denen auch Geld zu verdienen sei. Pavone schlug vor, in der Schweiz eine Vorreiterrolle einzunehmen: sowohl Recyclingströme, Technologien als auch ein hohes Bewusstsein in der Bevölkerung seien gegeben. Dies könne man nutzen und proaktiv vorgehen. Gude stimmte dem zu. Auch in Fragen der Lebensmittelsicherheit sei die Schweiz als kleine agile Einheit in der Lage schnell und gezielt Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Es werde wohl ein Nebeneinander verschiedener Verpackungslösungen geben, so Cadonau, denn «was für das eine funktioniert, funktioniert nicht für das andere».

Susanne Köhler

www.svi-verpackung.ch