Regalanlagen müssen stabil, auf die Ware, Umschlagshäufigkeit, örtliche Gegebenheiten und die Staplerflotte angepasst sein. Dafür macht sich York Ihler, Leiter Racking Solutions bei Toyota Material Handling stark. Dahingehende Versäumnisse zählt er in Kombination mit menschlichem Versagen zu den «Hauptunfallquellen im Lager».
Ereignisse in der Intralogistik - und ihre Folgen - gelten als überdurchschnittlich gravierend. In der Schweiz meldet die Suva phasenweise ein regelrechtes Horror-Szenario und hat genaue Zahlen parat. Demnach ereignen sich gegen 30 Prozent aller Arbeitsunfälle, rund 70.000, in Zusammenhang mit innerbetrieblichen Transporten und der Lagerung.
In dieser Grössenordnung kaum zu fassen, aber durch die Zahlen der Unfallexperten verbrieft: Mitarbeitende stolpern über Gegenstände, rutschen auf glatten Böden aus, stossen sich den Kopf an, oder werden von Fahrzeugen angefahren. Ursachen sind laut Suva oft mangelhafte Planung und Sicherung der Transportwege, eingeschränkte Sicht, fehlende Beleuchtung und ungenügende Instandhaltung. Allein bei manuellen Lade- und Hebetätigkeiten werden gegen 29 000 Vorkommnisse pro Jahr durch körperliche Überlastung, insbesondere des Rückens, Absturz und Sturz (auf ebener Fläche oder durch Stufen), Einklemmen von Händen und Füssen, Schnittverletzungen an den Händen und Verbrennungen registriert. Direkt im Rahmen von Staplerfahrten ereignen sich in Schweizer Betrieben über 1800, an Hebezeugen rund 2100 Unfälle pro Jahr.
An Rollenbahnen, Förderbändern, Kettenförderern, wie auch Saugvorrichtungen für Paletten und Stückgut ereignen sich immer wieder schwere Unfälle. Die Hauptgefahr besteht laut Suva darin, dass Finger, Hände oder andere Körperteile zerquetscht oder abgetrennt werden, in Einzugsstellen geraten oder von rotierenden Maschinenteilen erfasst werden. An Aufzugsanlagen geschehen 500 Unfälle jährlich bei der blossen Benutzung, etwa 50 Arbeitsunfälle pro Jahr bei der Montage und Instandhaltung. An Regallagern komme es insbesondere bei der Störungsbehebung immer mal wieder zu Abstürzen, oder Personen werden eingeklemmt. Lagermitarbeitende sind typischerweise auch durch herabstürzende Güter gefährdet.
Ein Rammschutz leistet gute Dienste.
Zum Vergleich: In Deutschland wies die Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) 2019 rund 72.500 meldepflichtige Unfälle im Bereich Verkehr und Lagerbetriebe aus. 39.644 davon traten in Zusammenhang mit Lagereinrichtungen & Verpackung auf, 16.333 davon im Bereich Lagerzubehör, Regalsysteme, Palettenregale und Paletten. Hauptursachen waren laut Statistik menschliches Versagen, unzulässige Lastverteilung im Regal, heraus- und herabfallende Waren, nicht (oder nicht regelgerecht) durchgeführte Inspektionen, nicht fachgerecht durchgeführte Reparaturen, Rammvorgänge und fehlende Standfestigkeit.
Wenn Unfälle passieren, sagt Ihler, «wird es nicht nur unangenehm, sondern auch teuer». Umso wichtiger, Regalanlagen bereits im Vorfeld optimal und gemäss geltender Normen zu planen und den passenden Typ auf die jeweiligen Anforderungen abzustimmen.
Die Kategorien sind im Wesentlichen bekannt:
Bei Verfahrwagen-Anlagen ist das Lagersystem auf im Boden eingelassenen Schienen unterwegs. Per Flurförderzeug wird die Ware in die Regalkanäle verbracht und daraus entnommen. Ihler: «Anlagen dieser Art kommen mit weniger Gängen für mehr Paletten pro Quadratmeter aus und optimieren so die Raumausnutzung».
Bei Durchlaufregalen gleiten die Paletten auf geneigten Rollenbetten mit kontrollierter Geschwindigkeit von einem Punkt zum anderen. Das spart Zeit, denn anders als bei Einfahrregalen kann die Last am Anfang des Regals abgesetzt und am getrennten Entnahmegang ausgelagert werden. Auch halbautomatische Shuttles können beim Ein- und Auslagern zum Einsatz kommen. Dabei fährt das Shuttle die Palette an ihre Endposition, während der Stapler die nächste Ladung an der Regalöffnung bereitstellt.
Kragarmregale bestehen aus Tragsäulen mit horizontal abstehenden Armen für die Lastaufnahme. So lassen sich Langgut, Gebinde oder Artikel unterschiedlicher Grösse lagern. Egal, ob drinnen oder draussen, leicht oder schwer bestückt, ein- oder zweiseitig – was die Grösse und das Gewicht der Last betrifft, gelten Kragarmregale als ausgeprochen flexibel.
Fachbodenregale sind echte Allrounder für leichte bis schwere Lasten. Ihler: «Hier findet (fast) alles Platz: Ordner, Ersatzteile, Boxen, Kleidung, Massengut, Meterware und vieles mehr».
Wer seine Lagerkapazität verdoppeln oder sogar verdreifachen möchte, erhält mit Bühnenkonstruktionen oder Mehrebenen-Fachbodenregalen ein zweites oder drittes Geschoss, mit dem sich der Platz im Warenlager effizient ausnutzen lässt. Zwischengeschosse bieten viele Möglichkeiten zur Montage oder Einrichtungen zur Erweiterung der betrieblichen Abläufe.
Fotos: TMHE
Kontrollen vorgeschrieben
Nach einer europäischen Norm DIN EN 15635 sind wöchentliche Sichtkontrollen vorgeschrieben, die auch durch eingewiesene unternehmenseigene Mitarbeiter vorgenommen werden können, sowie jährliche Experteninspektionen, die nur durch eine fachkundige und dafür befähigte Person wie einem Regalinspekteur durchgeführt werden dürfen. «Neben den rein technischen Sicherheitsaspekten», sagt Ihler, «muss auch der Unsicherheitsfaktor Mensch im Mittelpunkt stehen. Es gilt, ihn über mögliche Risiken bei der Arbeit am Regal aufzuklären und ihn für Gefahrensituationen zu sensibilisieren».
Gute Dienste leisten Drahtböden, Rückwandgitter, Seitenrammschutz und Ständerschutz-Elemente, die Stösse und Anprallenergie um den Ständer herum anstatt durch ihn hindurchleiten.
Ab Dezember gibt es mit einer EN 15512:2020 eine europäische Vorschrift, die für die Regalberechnung verpflichtend werden soll. Ihler: «Obwohl wir noch nicht dazu verpflichtet sind, berechnen wir bei Toyota Material Handling das Strukturdesign unserer Regale schon jetzt nach der erneuerten Norm».
In der Schweiz sind systematische Inspektionen von Lagereinrichtungen durch die Sicherheitsnorm SN EN 15635 gesetzlich vorgeschrieben. Der Intralogistikverband Schweiz (ILS) bietet im Bereich Regale und Regalinspektionen Information und Ausbildung an.
York Ihler, Leiter Racking Solutions und Telematics
www.ils-schweiz.ch
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- Geschrieben von: Klaus Koch