Die Flurförder-Branche hat die Covid-19-Pandemie gut gemeistert. Aber es zeigt sich die Problematik der weltweiten Verflechtungen, wenn es bei Kernkomponenten plötzlich in der Supply Chain klemmt. Rolf Eiten, Europa-Chef von Clark, erläutert, warum das Geschäft trotzdem so schnell wieder «brummt».

Herr Eiten, fällt den Herstellern jetzt auf die Füsse, dass jahrelang nicht nur die Beschaffung von Zulieferteilen, sondern auch ganze Fertigungen ins Ausland und insbesondere nach Asien verlagert wurden?

Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Asien sind im Laufe der Jahre immer stärker geworden. Firmen haben nach Fernost nicht nur Aufträge vergeben, sondern auch Technologietransfer betrieben. Es gibt heute fast kein Unternehmen mehr, das nicht Material aus China bezieht. Somit stehen wir hier mehr oder minder alle vor dem gleichen Dilemma. Ich glaube, dass die Covid-19-Pandemie uns gerade ganz deutlich zeigt, wie gross die Gefahr dieser Asienabhängigkeit wirklich ist, die wir alle bislang billigend in Kauf genommen haben – und ja, jetzt fällt es uns auf die Füsse, dass wir, um Kosten zu sparen, Produktionen nach Asien ausgelagert haben.

Trotzdem ist die Auftragslage im ersten Halbjahr 2021 so gut wie noch nie.

Nachdem im ersten Halbjahr 2020 die Auftragslage aufgrund der Corona-Krise sehr schlecht war, hat sie im zweiten Halbjahr 2020 schon wieder stark angezogen, so dass wir das Geschäftsjahr 2020 mit einem Zuwachs von etwas über 3 Prozent zum Vorjahr abschliessen konnten. Tatsächlich ist der Markt für Flurförderzeuge ist in der hiesigen Marktregion im Jahr 2021 um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Weltweit konnte Clark das Auftragsvolumen sogar um 50 Prozent gegenüber dem Ergebnis des Vorjahres steigern. In der EMEA-Region – also in Europe, dem Mittleren Osten und Afrika – konnten wir unsere Auftragseingänge um 80 Prozent zum Vorjahr steigern. Ich glaube nicht, dass irgendjemand damit gerechnet hat, dass der Markt in der Corona-Krise so viel Fahrt aufnimmt. Ein Wermutstropfen ist ungeachtet dessen, dass es Probleme in der Lieferkette und bei der Beschaffung von Komponenten gibt, weil viele Zulieferteile aus Asien kommen. Für unsere Kunden hat das zur Konsequenz, dass sie deutlich länger auf die Fahrzeuglieferungen warten müssen. Hinzu kommen noch eine drastische Erhöhung der Frachtkosten, Lieferverzögerungen durch Engpässe in der Seefracht sowie die ständig steigenden Rohstoffpreise. Die Branche bewegt sich zurzeit in einem sehr schwierigen Umfeld.

Fotos: Clark/Barde

Welche Massnahmen haben Sie ergriffen, um gegenzusteuern?

Zur Sicherung unserer Lieferkette haben wir bereits frühzeitig für unseren eigenen Vorrat Maschinen geordert. Zudem haben wir im Verbund mit den weltweiten Clark Fabriken und den Transporteuren eine Vielzahl von Massnahmen ergriffen: Wir haben unsere Lieferanten besucht, um uns ein Bild von der Situation vor Ort zu machen und zu eruieren, wie wir diese unterstützen können, um die Materialbeschaffung zu beschleunigen. Wir haben zum Beispiel Teile per Vorkasse bestellt, um den Lieferanten unter die Arme zu greifen, Lieferanten gewechselt, um Kosten zu reduzieren sowie nach neuen Spediteuren Ausschau gehalten, um Lieferungen zu beschleunigen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt läuft deshalb die Produktion in allen unseren Werken und auch die Lieferketten sind weitgehend intakt. Es dauert nur alles etwas länger.

Bereuen Sie jetzt, dass die Montagefertigung in Duisburg noch nicht steht?

Nein, im Gegenteil! Ich bin froh, dass dieses Projekt erst einmal zurückgestellt wurde. Eine Montagefertigung in Duisburg würde an der aktuellen Situation nichts wesentlich ändern, denn 95 Prozent der Teile kämen im Baukastensystem aus Fernost. Wir wären in genau derselben Abhängigkeit und hätte vielleicht lediglich mehr Flexibilität beim Zusammenbau der Geräte.

Nutzen Sie nun die geschaffenen Kapazitäten für die Montagefertigung anderweitig?

Allerdings! Wir haben den Fokus auf das Gebrauchtgerätegeschäft sowie den Ausbau unseres Direktgeschäfts im Raum Duisburg gelegt.

Das heisst, Sie nutzen die freien Werkstattkapazitäten für die Aufarbeitung von Gebrauchtgeräten?

Genau! Wir haben im letzten Jahr damit begonnen, testweise Gebrauchtfahrzeuge anzukaufen, um daran die Aufarbeitung von Gebrauchtfahrzeugen zu lernen und Qualitätsstandards zu entwickeln. Dazu haben wir unter anderem in die bestehende Lackieranlage investiert und diese modernisiert und aufgerüstet. Wir können Geräte jetzt im Nasslackverfahren lackieren, dadurch ist die Lackierung viel hochwertiger und haltbarer. Somit kann der Kunde bei Clark Gebrauchtfahrzeugen auf qualitativ sehr hochwertige Fahrzeuge bauen. Die ersten aufgearbeiteten Fahrzeuge hat man uns quasi aus der Hand gerissen. Jetzt bauen wir diesen Geschäftsbereich peu à peu noch weiter aus. Seit Besuche beim Kunden wieder möglich sind, hat auch unser Direktgeschäft stark angezogen. Wir können uns also nicht beklagen.

Auch für die Produktionslogistik haben Sie eine neue Lösung?

Korrekt. Clark hat Anfang des Jahres ein Routenzugsystem auf den Markt gebracht. Mit dieser All-in-One-Lösung sind wir ganz gezielt auf die spezifischen Anforderungen von Industriekunden eingegangen. Der Routenzug besteht aus dem Schlepper CTX40-70 mit einer Anhängelast von 4 bzw. 7 t sowie aus den Anhängern CTR01 und CTR02. Der als Single U-Frame ausgelegte Anhänger CTR01 ist für Kunden konzipiert, die überwiegend Europaletten transportieren müssen. Über einen verschiebbaren Mittelträger kann der Betreiber flexibel wählen zwischen einem Trolley mit einer Grösse von 1600 x 1000 mm und einer Zuladung von bis zu 1600 kg oder zwei Trolleys mit je 800 kg Lastgewicht. Zurzeit realisieren wir in diesem Bereich ein neues Kundenprojekt. Dazu haben wir unsere Schlepperpalette um Fahrzeuge mit einer Tragfähigkeit von 3 t erweitert.

Das Interview führte Sabine Barde

www.clarkmheu.com