… noch sehr lange nicht: Schiffe transportieren 80 Prozent des weltweiten Frachtaufkommens. Die meisten fahren noch immer mit dem stark schwefelbelasteten aber billigen Treibstoff und erzeugen knapp drei Prozent des globalen CO2-Fussabdrucks. Jetzt soll ein Institut für Maritime Energiesysteme die Schifffahrt «dekarbonisieren» – auch Kreuzfahrtriesen.
Die neue Forschungseinrichtung wurde am Freitag mit einer virtuellen Veranstaltung in Geesthacht (Schleswig-Holstein) eröffnet. «Der Seeverkehr der Zukunft soll möglichst wenig Emissionen verursachen und über einen geschlossenen Stoffkreislauf verfügen», so die Vorstandsvorsitzende des federführenden Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums Anke Kaysser-Pyzalla. Dabei werde die gesamte Infrastruktur betrachtet, vom Hafen bis hin zur Energieerzeugung auf dem Schiff. Neben der Nutzung alternativer Treibstoffe werde das Institut auch Nachschub-Linien und den Antrieb mit Wasserstoff untersuchen. Die Arbeit soll Impulse für Werften, Schiffsausrüster, Reeder und Hafenbetreiber liefern.
Alexander Dyckmann (kommissarischer Institutsleiter)
Geesthacht ist ein renommierter Forschungsstandort. Im Ortsteil Krümmel befinden sich mehrere stillgelegte Kernreaktoren, darunter der ausrangierte Druckwasserreaktor des einst nuklear betriebenen Handelsschiffes Otto Hahn, und das bis 2011 betriebene Kernkraftwerk Krümmel.
Dort hätte im Jahr 2010 erstmals eine Frau ein deutsches Kernkraftwerk leiten und als Chefin das ramponierte Image des Reaktors aufpolieren sollen. Doch die 56-jährige Ulrike W. fiel bei der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht durch. Laut einem Bericht im «Tagesspiegel» versagte sie in der praktischen Abschlussprüfung: Bei einer Simulation auf dem Übungsleitstand des Atomkraftwerks sollte W. den Reaktor in 30 bis 60 Minuten herunterfahren und in einen sicheren Zustand bringen. Sie habe diese Aufgabe auch nach zwei Stunden noch nicht bewältigt.
Das DLR-Institut wird seinen Standort im Innovations- und Technologiezentrum (GITZ) auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums Hereon haben. Auch dieses hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Es wurde 1956 als Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt gegründet, später in GKSS-Forschungszentrum Geesthacht umbenannt und arbeitete von 2010 bis 2021 unter dem Namen Helmholtz-Zentrum Geesthacht über Material- und Küstenforschung.
Nun bauen dort 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Infrastruktur des neuen Instituts für Maritime Energiesysteme auf. In einer Halle werden Versuchsumgebungen für containerbasierte Energiesysteme eingerichtet. Langfristig soll das Institut 250 Mitarbeitende in den vier Abteilungen Energiekonverter und -Systeme, Energie-Infrastrukturen, Virtuelles Schiff und System-Demonstration beschäftigen.
«In der Schifffahrt wollen wir bereits deutlich vor 2050 emissionsfrei werden. Ziel der Bundesregierung ist dabei, dass das erste emissionsfreie Kreuzfahrtschiff «Made in Germany» als Leuchtturm schon 2030 Wirklichkeit wird. Wenn uns das mit innovativen Lösungen und Technologien gelingt, haben wir den Grundstein für die Emissionsfreiheit der gesamten Flotte unabhängig vom Schiffstyp gelegt. Auf dem Weg dahin gilt es aber zunächst Schweröl als Energieträger zu ersetzen, um die damit verbundenen Emissionen zu vermeiden. Hierfür brauchen wir auch Lösungen für die Nachrüstung von Schiffen, die bereits im Einsatz sind. Bei alledem wird das neue DLR-Institut für Maritime Energiesysteme einen wichtigen Beitrag leisten», sagt Norbert Brackmann, Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft.
Bilder: DLR
Das Institut für Maritime Energiesysteme plant, ein Motorschiff bauen zu lassen, auf dem verschiedene alternative Antriebe erprobt werden. Der schwimmende Demonstrator soll die Entwicklung von Systemen und Komponenten für die Binnen- und Seeschifffahrt so weit voranbringen, dass diese in naher Zukunft weltweit eingesetzt werden können. Ein «digitaler Zwilling» werde als virtuelles Schiff die Forschung vervollständigen. In der Simulation könnten zum Beispiel die Nutzungsbedingungen bei extremem Klima vorhergesagt werden. Der «digitale Zwilling» erlaube Tests in Grenzbereichen und reduziere die Zahl der notwendigen realen Versuche. Ausserdem erlaube er die Skalierung der Systeme auf grosse Containerschiffe ebenso wie auf kleinere Binnenschiffe oder andere Schiffstypen.
www.dlr.de
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- Geschrieben von: Klaus Koch