Zahlreiche Anbieter sind inzwischen den Kinderschuhen entwachsen und werden von grossen Logistik-Dienstleistern als Ergänzung auf der «letzten Meile» hinzu genommen. In Berlin glauben Optimisten, dass die Hälfte aller City-Transporte per Velo stattfinden könnte. Ein «MotionLab» leistet Hilfestellung.

Das sogenannte «MotionLab» in der Bouchéstrasse, auf einem ehemaligen Industrie-Areal gemeinsam mit etlichen neuen Gewerbebetrieben und dem Bundeskriminalamt in der Puschkin-Alle um´s Eck gelegen, sieht genauso aus, wie es der Vorstellung entspräche: Ein «Coworking Space», ein mit gemeinsamen Einrichtungen versehener Arbeitsplatz, in einer einstigen Produktionshalle mit Garagen in Containergrösse, die je nach Bedarf angemietet werden können. An 3D-Druckern, Lasercuttern, Elektronik-, Textil-, Holz-Werkbänken und Metallwerkstätten nehmen neue Formen der Mobilität Gestalt an. Neben dem Maschinenpark stehen Büro-Arbeitsplätze, eine Rezeption, Brief- und Paketservice zur Verfügung, WLAN, Meetingräume und Planungs-Desks, an denen Visionen entstehen, und eine gemeinsame Cafeteria. Sogar ein Auditorium, umrahmt von Pflanzenkübeln und ein altehrwürdiger Doppeldecker-Bus der Berliner Verkehrsbetriebe, heute genutzt als Schulungsraum, Event-Zentrum oder wahlweise als Telefonkabine haben Platz. «Zahle nur für das, was Du tatsächlich brauchst», lautet hier die Devise der Unternehmensgründer und Teilhaber.

Fotos: klk.

Einen Fahrrad-Parcours haben sie auf dem Hof aufgebaut, um den Teilnehmern des Deutschen Logistikkongresses, die mit einem Bus angereist kommen, die Vielfalt inzwischen zur Verfügung stehender Cargo-Bikes zu präsentieren. Darunter ordentliche Kaliber mit Container, die europalettenfähig sind, bessere «Pick Ups», aber auch solche, die extrem schmal sind und in der Vorbeifahrt eher wie ein Kleiderschrank auf Rädern wirken. Fast alle verfügen über Fahrerkabine, Rückspiegel, Lichtanlage (Bremslicht, Blinker), Diebstahlsicherung, Getränkehalter, Handy-Halterung mit USB-Anschluss, ergonomisch verstellbaren Fahrersitz, Rückwärtsgang und Anfahrhilfe. Ebenfalls «ordentlich» sind die Preise, die durchaus beim Anschaffungsaufwand für einen Kleinwagen liegen. Ob der ein oder andere Hersteller auch Fahrzeuge in die Schweiz liefern würde, wird mit Zulassungs-Beschränkungen beantwortet, auf die solche Modelle jeweils erst eingestellt werden müssten. Da bleibt es dann doch beim Leitspruch «global denken – lokal handeln». Zumal in der Schweiz bereits gute Marken gehandelt werden, die in Hinblick auf Qualität und Zuverlässigkeit eidgenössische Standards bestens erfüllen.


 Tom Assmann, Vorstand des deutschen Radlogistik-Verbandes RLVD, berichtet über rund 13000 Lasten-Velos, die pro Jahr verkauft werden. Bei 20 bis 30 % scheine sich derzeit der Anteil der elektro- und pedalbetriebenen Kurier-Fahrräder in der Stadt einzupendeln. Möglich und sinnvoll, das bestätigt auch Martin Schmidt, rasant und mit Esprit vortragender Geschäftsführer von «Cycle Logistics», wären nach Ansicht der Velo-Enthusiasten aber wohl sogar knapp über 50 Prozent. «Da muss aber wohl noch viel passieren», meint Assmann über Realisierungs-Zeiträume solch hoher Zahlen. Auch was sogenannte Mikro-Depots und «Nano-Hubs», einschliesslich denkbarer automatisierter Sortierungs-Abläufe betrifft, zeigt sich noch Spielraum für künftige Entwicklungen. Klar ist für Schmidt, dass die «Mittlere Meile», der Weg zum städtischen Verteilzentrum, nicht sinnvoll mit Lastenrädern, sondern immer noch mit grösseren Fahrzeugen zu bewerkstelligen sei. Bei der Digitalisierung der Lieferwege und der Schnittstelle zur letzten Meile hätten Unternehmen wie Amazon sogar wieder mal einen Vorteil. Denn dort sei durchgehend eine gute Datenlage gegeben.

Foto: MotionLab

«Fahrrad-Logistik in den Städten ist eigentlich gar nichts Neues», erklärt Assmann. Schon vor hundert Jahren stützte sich das örtliche Handwerk, vom Schornsteinfeger bis zum Bäcker, bei der Anfahrt auf´s Velo. Bis eben das Auto – und mit ihm der Verbrenner – kam. Seit der Jahrtausendwende habe sich der Trend wieder geändert. Schmidt präsentiert abenteuerliche Beladungs-Szenarien aus südostasiatischen Gefilden, die in Mitteleuropa aus Sicherheitsgründen kaum denkbar wären. Aber es gibt inzwischen natürlich auch hier eine Vielzahl von unterschiedlichen Modellen in verschiedensten Ausführungen, mit robusten Aufbauten und bis hin zum Schwerlastanhänger für bis zu 220 kg Anhängelast. Dass dies der Motorisierung bereits erheblich zu schaffen macht, erleichtert es, die Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h einzuhalten.

Interessant eine ebenfalls in Alt-Treptow «live» vorgeführte multi-modale Akku-Wechselstation, wie sie aus der Intralogistik für Stapler bekannt ist, hier aber rein privaten Zusatznutzen findet. Relativ leichte Akkus inzwischen acht verschiedener Typen und Hersteller können hier von der ständigen Verfügbarkeit voll aufgeladener Batterien über die Verwaltung defekter Speicher bis hin zum Recycling per App ins Tausch-Verfahren einbezogen werden. Die Bezahlung erfolgt über ein monatliches Abo-Modell.

Was den generellen Umstieg auf Elektro-Lastenvelos betrifft, verweist Arne Behrensen, Geschäftsführer von «Cargobike.jetzt», auf erhebliche Fördergelder und Kaufprämien, die zumindest in Deutschland winken, und bis zu vierstellige Summen ausmachen.

Wünschenswert wäre angesichts des Werbens der deutschen Bundesvereinigung BVL um nachhaltige Methoden und Konzepte möglicherweise auch eine stärkere Beteiligung von Teilnehmern des Logistikkongresses gewesen. Nur ein knappes Dutzend fand den Weg zum «Outdoor»-Event.

www.bvl.de

www.motionlab.berlin.de