Mobilitäts-Konferenz in Bern

40 % der schweizerischen CO2-Emissionen gehen zu Lasten des Verkehrs. Bundesrätin Simonetta Sommaruga mahnte an einer Konferenz «Mobilität neu denken» vor 500 geladenen Gästen in Bern zum Umdenken im Personen- und Güterverkehr - und dazu,Transportketten klimaneutral zu gestalten.

Bereits vor rund zwei Jahren hat der Bundesrat als Klimaziel Netto-Null Emissionen bis 2050 bestimmt. Bundesrätin Sommaruga hob hervor, dass klimafreundliche Mobilität heute eine gesamtheitliche Aufgabe sei, aber auch weit mehr umfasse als den Verkehrsbereich. Sie illustrierte dies mit einem Tour d’horizon zu den politischen Fragestellungen rund um die klimafreundliche Mobilität, mit denen sich mittlerweile sechs Ämter des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK befassen. Sie reichten von der Abschaffung des Dieselprivilegs über die Entwicklung von synthetischem Kerosin bis hin zur Sicherstellung der Energieversorgung.

Simonetta Sommaruga Fotos: Remo Nägeli / ARE

Wie Finnland die Treibhausgasemissionen des Verkehrs zu reduzieren beabsichtigt, erläuterte Timo Harakka, Minister für Verkehr und Kommunikation, in einer Videobotschaft. Er betont die Gemeinsamkeiten und Kooperationen zwischen der Schweiz und Finnland im Bereich der Innovationen. Er zeigte auf, wie im Rahmen von «Mobility as a Service» Innovationen den Menschen ins Zentrum stellen und zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen könnten. Wie sich ökologische, ökonomische und soziale Anliegen auf kommunaler Ebene vereinbaren lassen, zeigen Vorbilder aus Helsinki, Tampere, Espoo und Lahti. Diese Anstrengungen würdigte die Europäische Kommission, indem sie die finnische Stadt Lahti, deren Bürgermeister Pekka Timonen auch live in der Konferenz berichtete, zur grünen Hauptstadt Europas 2021 ernannte.

An der Tagung bestand breiter Konsens, dass sich erneuerbare Antriebsarten «innert relativ kurzer Zeit am Markt durchsetzen» können. Voraussetzung sei, dass von staatlicher Seite her die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um mit dem technologischen Wandel Schritt zu halten. Die fortschreitende Digitalisierung erlaubt es, Mobilität neu zu organisieren: Vom autonomen Fahren über neuartige Tarifierungs- und Ticketmodelle bis hin zu Verkehrsdrehscheiben, die verschiedene Verkehrsträger (Schiene und Strasse) und -mittel sowohl physisch als auch digital vernetzen.

Logistik-Kompetenz auf dem Podium

Damit die verschiedenen Verkehrsträger an räumlich passenden Standorten mittels Verkehrsdrehscheiben verknüpft werden, müssen raumplanerische und umweltpolitische Rahmenbedingungen geschaffen werden, etwa in Richtplänen und Agglomerations-Programmen.

Herkömmliche Muster überdenken

Die Wiener Zoologin und Anthropologin Elisabeth Oberzaucher zeigte auf, dass technologischer Fortschritt allein keine Verkehrswende bringe. Mobilität spielte im Laufe der Evolution des Menschen eine zentrale Rolle. (…) «Geformt von evolutionären Zwängen entstanden Vorlieben, die heute dazu führen, dass motorisierte und individualisierte Mobilität attraktiv erscheint». Die Mobilitätswende könne nur gelingen, wenn solche evolutionär entstandenen Muster überwunden würden. Dabei könnten Ansätze hilfreich sein, die sich am herkömmlichen Verhalten orientieren und nachhaltiges Verhalten attraktiver machen. Werde nachhaltiges Verhalten zu einer Art Statussymbol, könne es als erstrebenswert erscheinen und sozusagen «massentauglich» werden.

Die Diskussionen an der Konferenz zeigten, dass die technologischen Entwicklungen auch für den Güterverkehr neue Möglichkeiten eröffnen, etwa die Elektrifizierung und unterirdische Verkehrssysteme. Olivier Corvez, Geschäftsführer des Smart Freight Centre, und weitere Fachleute waren sich jedoch einig, dass diese allein nicht genügen werden, um den Güterverkehr zu dekarbonisieren. Der Logistikmarkt müsse weiterentwickelt werden, es brauche mehr Schnittstellen, um verschiedene Verkehrsträger zu verknüpfen, und mehr Kooperation unter Konkurrenten. Um Städte und Agglomerationen zu entlasten brauche es Cityhubs, an denen Güter effizient umgeladen und gebündelt in städtische Quartiere ausgeliefert werden.

D.Baer R.Deutschmann N.Planzer

Wichtige Diskussions-Beiträge zur «Decarbonisierung» steuerten in der Logistikbranche vertraute Gesichter wie Désirée Baer, CEO von SBB Cargo, Rainer Deutschmann, Leiter der Direktion Sicherheit & Verkehr beim Migros-Genossenschaft Bund, Rolf Huber, CEO von H2 Energy Europe, Esther Keller, Regierungsrätin im Kanton Basel-Stadt und Nils Planzer, CEO des Transport-Dienstleisters Planzer bei.

Einen wichtigen Teil der Konferenz nahmen 36 Open Sessions ein: Die Diskussionsplattformen gingen auf unterschiedlichste Fragestellungen ein, vom Sharing über Genderfragen bis zur Multimodalität. Akteure der Mobilitätsbranche – Transportunternehmen, Kantone, Städte und Organisationen – zeigten unterschiedliche Ansätze, wie es möglich sein kann, den Verkehr klimaverträglicher zu gestalten, und wie es gelingt, verschiedene Nutzergruppen anzusprechen.

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