Interroll`s Smart Pallet Mover

Mag der virtuelle Ersatz auch noch so gut sein: Den besseren Eindruck gibt es noch immer vor Ort. Rund 600 Experten, Firmengäste und Nominierte nutzten das Testcamp in Dortmund und ein gutes Corona-Schutzkonzept zu realen Begegnungen, die sonst der Pandemie zum Opfer fielen.

Tatsächlich war der Bedarf an realem, statt «online» stattfindendem Austausch gross. Beim sogenannten «Mesh-up», der Weltpremiere einer Gruppe von AGV-Nutzern und -Herstellern unter Regie des Verbandes der Autoindustrie (VDA) und des VDMA, trat gleich ein ganzes Geschwader an Robotfahrzeugen in Aktion, die künftig unter einer neuen Schnittstelle (VDA 5050) koordiniert werden können. Gerade richtig an dieser Stelle, da sich immer mehr start-ups und autonome Geräte um Aufnahme ins derzeit heftig umgarnte Intralogistik-Getümmel bemühen.

Coronatest vor Halle 4

Auch hier lässt Covid19 grüssen, da zahlreiche Supply Chains und Lieferverpflichtungen im zurückliegenden Jahr oft nur durch hochautomatisierte Lager und digitale Steuerung aufrechtzuerhalten waren. Neue Systeme wie das von Synaos (Promi-Kunde: VW) rechnen pro Sekunde 250.000 Lösungsmöglichkeiten durch, bevor sie ihre Fracht durch Fertigungsbereiche steuern. Die BMW-Tochter «idealworks» lässt ihren «Flachmann» iw.hub, der mit einer cloudbasierten Steuerungsplattform namens «AnyFleet» verknüpft ist, unter gesicherten Bedingungen auch gern mal auf einen «Fussgänger» (in diesem Fall den Autor) los. Der «Autonome» bremst, stoppt und versucht in Echtzeit auszuweichen. Springt der Chaot weiterhin im Weg herum, schaltet das Gerät auf «Vollstopp», bis die Situation bereinigt ist.

Teststand des AGV Mesh up

Auf schwerere Kaliber ab Palettengrösse zielen «Volume Wave» für das klassische Problem, Lagerdichte und Durchsatz im vollautomatischen Palettenlager mit dem Einzelzugriff zu kombinieren, und der schweizerische Fördertechnik-Spezialist Interroll mit seinem Smart Pallet Mover. Bei letzterem führte nicht der Trick, die Rollenfördertechnik auf einem Unterfahrgerät zu «schultern», zur Nominierung, sondern in der Kategorie «Special of the Year» die in dieser Gewichtsklasse neue, mobile Robotlösung zur Automatisierung des Palettentransports in den Bereichen Produktion und Kommissionierung. Interroll will das System diesen Sommer lancieren. Ein zwar angekündigter, aber doch unerwarteter «Wurf» aus dem Tessin via dem Entwicklungscenter in Wermelskirchen. «Wir haben seit drei Jahren daran gearbeitet», sagt Solution Sales Director Martijn Smit, Anwendungs- und Verkaufs-Chef in diesem Bereich. Früher musste ein Stapler die Paletten umsetzen. Das neue System, sagt Smit, lasse sich modular so schnell installieren, dass es sich im Bestfall sogar schon nach einem Jahr amortisieren könnte.

Lagersystem «Volume Wave»

Andere aus dem Speditionsbereich, wie ein Programm namens «Logistics Chat», müssen vielleicht noch ein wenig an dem von ihnen selbst fokussierten Problem feilen, Schwierigkeiten in der Kommunikation im länderübergreifenden Verkehr beim Be- und Entladen zu reduzieren. Die 25 Sprachen, die bald verfügbar sein sollen, könnten Missverständnisse zwischen Transport-Dienstleistern und Zieladressaten vermeiden – wenn die Sache bis zum Ende entwickelt wird.

Die Grenzen der «Intralogistik» beinahe gesprengt, aber nun mal immer noch auf das Firmengelände der Betreibergesellschaft begrenzt, haben Systeme wie das Drohnen-Kontrollzentrum des Hamburger Hafenbetreibers HHLA. Früher dauerte die Routinekontrolle eines der gigantischen Hafenkräne samt Kletterpartie für die Beschäftigten bis zu drei Tage. «Heute können wir das in drei Stunden abwickeln», sagt Matthias Gronstedt, Geschäftsführer der «HHLA Sky». Entwicklungs-Perspektiven eröffnen sich unter anderem dadurch, dass die Steuerung über das Internet der Dinge (IoT), statt über manchmal etwas mühsame Funkprotokolle, und mit einer nahezu unglaublichen Verzögerung von nur 800 Millisekunden erfolgt.

«Wundertüte» EXH-S 25

Sozusagen «Lokalmatador» beim IFOY – zumal durch das diesjährige Fehlen von Jungheinrich oder Toyota (TMHE) – ist wie immer der Staplerhersteller Still. Beim neuen Niederhubwagen EXH-S 25 wurde die Steuerung «komplett neu gedacht». Das Easy Drive-Lenkrad verfügt über soviele Funktionen, dass Aussenstehende auf die Idee kommen könnten, hier sei womöglich zuviel des Guten auch kontraproduktiv oder verwirrend. Indessen sind Lenkfunktionen wie etwa der Initialhub (an einem doppelten Wippschalter) hier lediglich auf rechts und links gespiegelt, um beispielsweise beim Umgreifen den Schalter ohne Verrenkung betätigen zu können. Der Ergonomie dient auch die anpassbare pneumatische Standplattform für den Fahrer. Die macht aus dem EXH-S natürlich weder eine Touristenschaukel oder einen SUV. Aber sie lässt sich vorteilhaft an das Gewicht des jeweiligen Nutzers anpassen. Unebenheiten im Hallenboden, die hundertmal am Tag durchfahren werden, lassen sich somit leichter ertragen. Wirbelsäule und Krankenstand wissen es zu danken.

 Handrückenscanner mit Touch-Display

Alle Teilnehmer absolvierten Antigen-Schnelltests. Um ausländischen Intralogistikexperten, die aufgrund der Coronapandemie nicht anreisen konnten, die Chance zu geben, Einblick ins Testcamp zu nehmen, entwickelte die IFOY-Organisation ein Doppelkonzept aus parallel ablaufenden Live-Streams und Kurzvideos, die auch in den Social-Media-Kanäle zugänglich sind.

Vertreter der 14 Hersteller nahmen für ihre Nominierten «Best in Intralogistics»-Zertifikate aus der Hand von Gordon Riske, Vorstandsvorsitzender des VDMA-Fachverbands Fördertechnik und Intralogistik, entgegen. Wer am Schluss in ihrer jeweiligen Kategorie die Gewinner sind, wird sich anhand der bevorstehenden elektronischen Abstimmung zeigen, die auch unter den Jurymitgliedern anonym erfolgen wird. Eine Gala wie zuletzt in der Wiener Hofburg, wird es dieses Jahr nicht geben.

www.ifoy.org