Mancher ist eher vorsichtig, wenn es bei Zement um den Kontakt vor Ort geht. Doch beim Maschinen- und Fördertechnik-Hersteller Beumer ist man sich sicher, dass sich «in den nächsten Jahren viel bewegt». Unter anderem geht es um die Umstellung von 50- auf 25-kg-Säcke. Und  enorme CO2-Emissionen.

Zwar berge die derzeitige Krise auch Chancen für Systemanbieter zur Digitalisierung, den Einsatz alternativer Brennstoffe oder den Bedarf an Automatisierung. Doch die Anwesenheit auf der Baustelle, sagt Vetriebs-Chef Kay Wieczorek, sei in einer Branche, in der Geschäfte nicht nur mit einer Unterschrift, sondern meist auch mit einem festen Handschlag abgeschlossen werden, allemal von Bedeutung. «Die Pandemie ändert massiv unser Reiseverhalten und damit auch die Art und Weise, wie wir Meetings abhalten und Verträge abschliessen», sagt er. Die Kommunikation werde immer digitaler. «Die zunehmende Digitalisierung wird auch in der eher konservativen Zementindustrie immer stärker Einzug halten», ist Wieczorek überzeugt. Auch wenn viele Betreiber von Zementwerken noch eher zaghaft auf diese Entwicklung reagieren, sehen sie doch die Vorteile. «Wir können zwar bei den Kunden gerade nicht vor Ort sein, sie aber trotzdem unterstützen, zum Beispiel mit unseren Smart Glasses», sagt der Zement-Experte. Was, wenn zum Beispiel eine Verpackungsanlage in Indonesien oder in Peru ausfällt? Beumer ist mit zahlreichen weltweiten Niederlassungen und Vertretungen global gut aufgestellt und kann bei Bedarf einen der weltweit stationierten Techniker dorthin schicken, aber auch das kostet Zeit – wenn es die Corona-Massnahmen überhaupt erlauben. Alternativ ist der Systemanbieter über seine Hotline rund um die Uhr erreichbar.

Bei Problemen, die nicht trivial, sondern mitunter komplex sind und sich am Telefon nur schwer beschreiben lassen, kann sich ein Techniker die Smart Glasses des Kunden aufsetzen und erhält alle wichtigen Informationen in das Livebild der Kamera eingeblendet. Der Vorteil besteht also sowohl in der Orientierung des Kunden, wie auch auf Seiten des Anbieters, der dem Service-Mann sozusagen «über die Schulter» schaut. Über die Datenbrille sieht der Customer Support dasselbe wie der Träger vor Ort und kann die richtigen Handgriffe direkt vorgeben.

Mit der zunehmenden Digitalisierung kommen auch immer mehr Sensoren zum Einsatz, um an kritischen Stellen Informationen zu sammeln und auszuwerten. Dabei kann es sich unter anderem um berührungslose Näherungsschalter handeln, die zuverlässig Signale senden, ohne dass es dabei zu mechanischen Kontakten kommt. Hochwertige Lichtschranken stellen die Signalübertragung auch unter schwierigen Umweltbedingungen sicher.
«Alternative Brennstoffe sind ein weiterer grosser Trend», sagt Kay Wieczorek. Bei der Herstellung von Zement werden grosse Mengen Kohlendioxid emittiert. In Abhängigkeit der verwendeten Prozesse liegt die Emission der Zementherstellung bei relativ gewaltigen 0,6 bis 0,99 t CO2 pro Tonne Zement. Schätzungen zufolge verursache die Branche etwa sieben bis acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Ein Ansatz zur nachhaltigen Reduzierung von Treibhausgas-Ausstoss und Produktionskosten sei die vermehrte Nutzung von alternativen Brennstoffen. Statt Kohle und Gas kommen zum Beispiel flüssige Materialien wie Altöl oder Lösungsmittel zum Einsatz. Das Gros der festen alternativen Brennstoffe bestehe aus kommunalen sowie industriellen Abfällen wie Mischungen aus Kunststoffen, Papier, Verbundmaterialien oder Textilien. «Wir können allerdings nicht einfach den ganzen Hausmüll in den Ofen werfen», sagt Wieczorek. «Denn unterschiedliche Materialien haben auch unterschiedliche Brennwerte.» Gern genutzt werden dagegen ganze oder geschredderte Altreifen. Deren Gummi habe einen vergleichbaren Heizwert wie Steinkohle, und das Eisen aus der Armierung lasse sich mineralogisch in den Zement einbinden. Das mindere die Zugabe eisenhaltiger Korrekturstoffe.
Beumer seinerseits entwickelt als Systemanbieter Lösungen für die gesamte Materialflusskette vom Entladen des Lieferfahrzeugs bis zum Lagern, Verwiegen, Fördern und Dosieren von festen alternativen Brennstoffen. Dazu kommen vollautomatische Anlagen, die unterschiedlich grosse und schwere Reifen dosieren, vereinzeln und zum Einlauf des Drehrohrofens fördern.

Fotos: Beumer
Für Strecken über unwegsames Gelände oder bewohnte Gebiete gibt es Muldengurtförderer und den bekannten, gedeckten «Pipe Conveyor».

Thema sei zudem, «was wir hier in Europa schon teilweise seit Jahrzehnten umgesetzt haben»: die Umstellung von 50- auf 25-kg-Säcke», sagt Wieczorek. Auslöser seien neue gesetzliche Vorgaben für den Gesundheitsschutz der Arbeiter, die diese Säcke heben und schleppen. «Für uns bedeutet das, dass wir die Anlagen in den Verpackungslinien bei unseren Kunden nach und nach umrüsten müssen», heisst es. Wohl aber auch nicht schlecht für´s Geschäft «Das wird ein enormer Aufwand, denn die Verpackungslinien müssen in den Werken natürlich genauso viel Zement abfüllen und verpacken wie vorher auch – und damit die doppelte Anzahl an Säcken in der gleichen Zeit handhaben.»
Doch auch wenn die Säcke nur noch halb so schwer sind – das manuelle Verladen auf die Lkw-Ladeflächen bleibt ein Knochenjob. Die manuelle Lkw-Beladung ist nicht nur anstrengend, sie erfordert in der Regel zwei Personen, die sich wegen der schweren körperlichen Tätigkeit mit ihren Kollegen je Beladevorgang abwechseln. Hinzu kommt die hohe Staubentwicklung, die gesundheitsschädlich ist. Bei der manuellen Verladung schwankt häufig die Verladeleistung sowie die Qualität der Sackstapel. «Diese Probleme entfallen mit dem Einsatz unseres autopac», sagt Wieczorek. «Ein Mitarbeiter kann direkt mehrere Maschinen bedienen.» Betreiber können so Arbeitsabläufe optimieren, erzielen hohe Verladekapazitäten und arbeiten von der Absackung bis zur Verladung effizient. «Wir haben diese Maschine weiterentwickelt», berichtet Wieczorek. «Wir bieten eine Version, die sich auf ganz unterschiedliche Breiten von Ladeflächen anpassen lässt.» Der autopac hat noch einen weiteren Vorteil – es sind keine Paletten erforderlich. In vielen Ländern fehle schlicht das Holz für Paletten.

«Es werden auch deutlich weniger Zementlinien gebaut. 2010 waren es in China etwa 200, 2019 genau 18. Das liegt natürlich unter anderem an den enormen Überkapazitäten gerade in China. Denn lange Zeit wurden von der Regierung grosse Bauprojekte vorangetrieben und damit enorme Mengen Zement produziert – die unter anderem auch massenhaft exportiert wurden. Diese Zeiten sind nun vorbei. In den Zementwerken lassen die Betreiber heute beispielsweise drei Linien zu einer grossen umrüsten», hat Wieczorek festgestellt. Doch auch dafür ist Know-how und Technik gefragt. Weltweit zähle «Made in Europe» noch immer als Qualitätssiegel, vor allem bei prozesskritischem Equipment. Wieczorek: «Ich bin mir sicher, dass die Investitionsbereitschaft in absehbarer Zeit wieder steigen wird.»

www.beumer.com