Foto: Continental
Nicht jeder, der merkwürdige Ergebnisse am digitalen Tacho produziert, tut dies aus dem Vorsatz heraus, Gerät und Fahrzeiten zu manipulieren. Glaubt jedenfalls Heiko Stein, Betreiber einer «Economic Drive»-Fahrschule im Nordrhein-Westfälischen. Im EU-Raum drohen immerhin Bussgelder bis zu 30.000 Euro.
Der Anbieter von Fahrerschulungen sieht im Rahmen des EU-Mobilitätspakets, dessen Richtlinien seit Sommer vergangenen Jahres greifen, wegen der Änderungen zu den Lenk- und Ruhezeiten und unbeabsichtiger Fehlbedienung des digitalen Bordgerätes die Gefahr von drastischen Sanktionen.
«Wir beobachten schon seit einiger Zeit, dass auf der einen Seite die Zahl der Kontrollen sowie die Höhen der Bussgelder zunehmen, während auf der anderen Seite die Toleranz bei Verstössen abnimmt», sagt Stein, hier nicht «am Rhein», sondern als Schulungsanbieter. So müssen jetzt zum Beispiel nicht nur Fahrunterbrechungen und Pausen, sondern auch krankheitsbedingte Fehlzeiten oder der Jahresurlaub digital erfasst werden. Die Einhaltung aller Vorschriften ist von den Unternehmen sicherzustellen. Kommen sie ihrer Pflicht nicht nach, drohen Bussgelder in besagter, teils fünfstelliger Höhe.
Stein glaubt tatsächlich, dass die meisten Verstösse gegen die Lenk- und Ruhezeiten nicht auf absichtliche Täuschung, sondern Fehlbedienung zurückzuführen seien. «Vielen Unternehmen mangelt es nach wie vor an den notwendigen Kenntnissen zum Umgang mit dem Gerät». In speziellen Kurs werden deshalb neben Grundlagen auch die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen sowie Tipps zum Verhalten bei Kontrollen bis hin zur Hilfe bei der Auswertung des Digitalgeräts an angeboten. Die erste Stufe des EU Mobilitätspakets, das sogenannte EU-Mobilitätspaket I, soll die Arbeitsbedingungen für Berufskraftfahrer verbessern. Die Neuregelungen betreffen den Marktzugang, die Entsende-Bestimmungen, die Kontrolle von Kabotagebeförderungen sowie die Lenk- und Ruhezeiten.
Heiko Stein. Foto: Sigmund
Das Landverkehrsabkommen mit der EU, das in diesem Fall einschlägig ist, sagt Peter Krummen, Geschäftsführer von Krummen Kerzers, sehe keine juristische Verpflichtung vor, neue oder revidierte EU-Regelungen in diesem Bereich zu übernehmen. «Ich denke jedoch, es ist durchaus sinnvoll, die Schweizer Gesetzgebung an die der EU anzupassen. Massgabe sollte sein, dafür zu sorgen, dass das Abkommen weiterhin gut funktioniert. Denn die Transportbranche hierzulande profitiert in einem nicht unerheblichen Masse von ihr».
So erhalten die Schweizer Fuhrhalter auf Grundlage des Landverkehrsabkommens Zugang zum EU-Markt und die Möglichkeit, zwischen EU-Staaten Kabotagefahrten durchzuführen, also etwa Güter von Deutschland nach Frankreich zu transportieren. «Das hilft uns sehr, die Zahl der Leerkilometer zu reduzieren. Andernfalls müssten unsere Fahrzeuge beispielsweise den Rückweg von den grossen Seehäfen häufig ohne Rückladung antreten», erklärt Krummen. Hingegen bleibe der schweizerische Markt vor der Kabotage durch ausländische Transporteure geschützt. Transporte von Zürich nach Lausanne durch einen deutschen Lastwagen seien mit dem Landverkehrsabkommen ausgeschlossen. Auf dessen Grundlage erkennt die EU darüber hinaus die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) an, nach der die Schweiz im Mittel 325 Franken für eine Lastwagenfahrt von Grenze zu Grenze verlangen darf.
In den vergangenen Jahren habe der grenzüberschreitende Strassengütertransport innerhalb der EU oft in einer Grauzone stattgefunden, was ein System entstehen liess, das auf Sozialdumping, Ausbeutung der Fahrer und Niedrigpreisen beruht. Da sei es durchaus sinnvoll, dass damit nun Schluss sein solle.
Damit ist noch längst nicht alles klar, sagt der 16.000 Mitglieder zählende Verband «Les Routiers Suisses». Unklar etwa auch, wie die Polizei reagiere, wenn nach den neuen EU-Regeln zwei verkürzte wöchentliche Ruhezeiten eingelegt werden. Der digitale Fahrtenschreiber, sagt die gewerkschaftlich organisierte Unia, sei ein wichtiges Instrument, weil damit die Arbeitszeit der Chauffeur/innen auf Distanz (beinahe) in Echtzeit erfasst werden könne, was Tricksereien erschwere.
www.economic-drive.de
www.krummen.com
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- Geschrieben von: Klaus Koch